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Friedensbewegung und die deutsche Außenpolitik (19. Oktober 1981)

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Es gibt sehr wohl einen Zusammenhang zwischen dem „Ohne mich" der 50er Jahre und der Menschenmenge in Bonn. Zwischen beiden liegt das „Nein" des Manifests der Atomwissenschaftler aus dem Jahre 1956 sowie die ganze Anti-Atombewegung: Während in Frankreich der Begriff Atom hauptsächlich eine positive Bedeutung hat, vor allem wegen der sakrosankten Vorstellung von der nationalen Unabhängigkeit, wurde in Deutschland die friedliche Nutzung der Atomkraft durch die völlig negative Symbolwirkung der Atomwaffen vergiftet.

Aber wie kommt es nun zu dem Ausmaß der Demonstration in Bonn und zu den Sympathien, die ihr entgegengebracht wurden? Weil man in Deutschland viel eher demonstriert als in Frankreich? Sicherlich. Und das gilt für Demonstrationen aller Art. Mit oder ohne Gewalt. Mit Bejahung aggressiver Randgruppen durch die Jugend, oder, wie in Frankfurt, Demonstrationen aller Generationen, um auf friedlichem Wege den Bau einer neuen Startbahn für den Flughafen zu verhindern, weil der Umwelt geschadet wird.

Ein Gegensatz ist zu beachten. Einmal bedeutet die Demonstration die Ablehnung des politischen Systems, ein andermal ist sie Ausdruck demokratischen Geistes, denn der demokratische Wille soll sich nicht nur an Wahltagen äußern. Beim Marsch auf Bonn waren beide Richtungen vereint — Grund genug, die starken Bemühungen der kleinen kommunistischen Partei und ihrer weniger kleinen Satellitenparteien, da einzudringen, nicht überzubewerten.

Wenn die beiden Strömungen zusammenfließen konnten, so nicht allein wegen des Anliegens der Demonstration, sondern weil die Institutionen fehlerhaft funktioniert haben. In der parlamentarischen Institution läßt die große Mehrheitspartei kaum noch Hoffnung aufkommen, bietet kaum Anreiz, sich zu beteiligen.

Die Institution der Rechtsprechung gibt zu häufig jenen Behörden recht, die einfach kritisch Denkende oder junge Leute, die von einer anspruchsvollen Ethik geleitet werden, als Abweichler und Feinde behandelt.

So hat vor kurzem ein Gericht zugunsten der bayerischen Regierung entschieden, die eine junge Frau nicht als Lehrerin in den Staatsdienst übernehmen wollte. Diese Frau hatte darauf bestanden, ihren Eid auf die Verfassung nur unter Vorbehalt zu leisten: Diese Treuepflicht dürfe nicht zu einem Konflikt mit den Grundsätzen ihres christlichen Glaubens führen.

Dieser Fall ist in doppeltem Sinne charakteristisch: wegen des völlig neuen Ausmaßes weiblichen Engagements, vor allem aber wegen der religiösen Komponente in der deutschen „Ohne uns"-Bewegung. Das war schon im Frühjahr auf dem Hamburger Kirchentag spürbar, das wird jetzt noch deutlicher, denn ständig wird die Bergpredigt zitiert, um die „Friedliebenden" jenen kriegerischen Raketenaufstellern gegenüber zu rechtfertigen.

Auch hier wieder kann der Vergleich mit Frankreich die Situation erklären: Wenn die deutschen Kirchen, vor allem die katholische, sich nicht so sehr von den Fragen der Gerechtigkeit entfernt hätten, wenn sie zum Beispiel am Vorabend der Bundestagswahlen, wie etwa die französischen Bischöfe, von der Arbeitslosigkeit statt von der Scheidung, von der Dritten Welt statt von den öffentlichen Finanzen gesprochen hätten, dann hätte der Bruch mit einer anspruchsvollen Basis eben diese Basis vielleicht nicht veranlaßt, sich ohne Rücksicht auf politische Auswirkungen auf die Heilige Schrift zu berufen.

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