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Protestmarsch in Bonn (12. Oktober 1981)

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Hinter der Bühne gibt Eppler Interviews, deutsch, englisch (fließend), französisch (nicht ganz so fließend): „Vor fünf Wochen war Sitzung des SPD-Parteipräsidiums. Ich habe gesagt, daß ich hier sprechen werde – und keiner hat etwas dagegen gehabt, auch Herbert Wehner nicht." Überhaupt ist Eppler der Wichtigste hier, so scheint es. Pastor Albertz nennt ihn als möglichen Führer einer neuen Partei links von der SPD. Und als der Berliner FDP-Altpolitiker William Borm seine Rede hält, schallen ihm Sprechchöre „Eppler! Eppler!" entgegen.

Um 17.30 Uhr ist die Kundgebung zu Ende. Nur der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) verbreitet sich auf der Poppelsdorfer Allee weiter über das Thema „Ein atomwaffenfreies Europa vom Atlantik bis zum Ural". Das Absingen ihrer Hymne „Wir sind die junge Garde des Proletariats" wird leicht gestört durch vorbeitanzende Mitglieder der Hare-Krishna-Sekte, die Kleingebäck an die Umstehenden verteilen.

Am Hofgarten geschieht das Unwahrscheinliche. Auf eine Lautsprecherermunterung von der Tribüne kriechen Hunderte durch den Schlamm, um Papier und Unrat aufzusammeln. Man trägt es zu großen Bergen zusammen, um den nachfolgenden Großeinsatz der Bonner Müllabfuhr etwas zu erleichtern. Am Hotel Bristol, das den Durchziehenden nicht nur seine Toiletten, sondern auch seine Terrasse zur Verfügung gestellt hat, lobt der Portier die Disziplin der Friedensdemonstranten.

Die Leute suchen ihre Busse. Andere rennen, um ihren Zug zu kriegen. Ein paar lassen, wie es ihnen Heinrich Böll im Schlußwort ans Herz legte, die von zu Hause mitgebrachten Steine fallen.

Bahnhof 18 Uhr. Ein kleiner Blondschopf von fünf Jahren wartet mit seinen Eltern auf den Zug. Sein weißes Kleidchen trägt hinten die Aufschrift: „Ich will keine Atombomben". Vorn ist eine Taube aufgemalt. Viele Demonstranten finden ihre Abfahrtsstellen nicht mehr, im U-Bahnhof Auswärtiges Amt haben sich zahlreiche Irrläufer ein Nachtlager eingerichtet. Am nächsten Morgen, bei Sturm und Regen, ist die Stadt wieder die, die sie vorher war.



Quelle: „Bonn, halb Festung, halb Festival. Beobachtungen beim Aufmarsch der 250 000 im Hofgarten“, Die Welt, 12. Oktober 1981.

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