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Bundestagsdebatte zur Nachrüstung (10. Oktober 1981)

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Scharf setzte Schmidt sich mit den Organisatoren der Demonstration auseinander. Er kritisierte, daß sie nicht bereit waren, sich von kommunistischen Gruppen abzusetzen. Damit hätten sie die Chance verpaßt, „ausgewogen zu formulieren“. Dem Friedenswillen der Deutschen helfe es nicht, wenn sie es zuließen, daß er von kommunistischen Gruppen organisiert werde. „Wir Deutschen dürfen uns nicht mitbestimmen lassen von jenen, die sich selbst zu gefügigen Werkzeugen eines anderen Staats gemacht haben“. Er fügte hinzu, die deutschen Kommunisten, die ausländische politische Zwecksetzungen mit Manipulationen in der Bundesrepublik unterstützten, seien „im besten Fall“ im Irrtum. Das Gesetz gestatte ihnen, so zu verfahren, aber sie sollten wissen, fuhr Schmidt unter dem donnernden Applaus des ganzen Hauses fort, daß seine politischen Freunde weder in der Sowjetunion noch in der DDR demonstrieren dürften und sie sollten auch wissen, daß es dort keine Wehrdienstverweigerung gebe. Ebenso Beifall gab es für Schmidt, als er die Demonstranten aufforderte, sich nicht einreden zu lassen, die Bundeswehr diene anderen Zwecken als dem, die Bundesrepublik zu verteidigen.

Auffallend war an Schmidts Rede weiter, wie scharf er sich in der Sache mit der Sowjetunion auseinandersetzte. Er warf ihr vor, sich „leider“ nicht an die gemeinsame Erklärung gehalten zu haben, in der er sich zusammen mit Breschnew im Mai 1978 zu einer Politik des „ungefähren Gleichgewichts“ im militärischen Bereich bekannt hatte. Die Tatsache, daß die Sowjetunion sich im Bereich der Mittelstreckenwaffen hieran nicht gehalten habe, sei die Ursache für den Doppelbeschluß der Nato, um den es jetzt gehe.

Die am 30. November beginnenden Verhandlungen dürften nicht zur Festschreibung bestehender — oder zur Schaffung neuer Ungleichgewichte benutzt werden, sondern dazu, ein Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau zu vereinbaren. Alle seien sich einig, daß das ideale Verhandlungsergebnis eine „beiderseitige“ Nulllösung wäre; durch Beseitigung der sowjetischen Hochrüstung. Keine Seite könne aber bestimmen, was Gleichgewicht sei. Doch werde eine Einigung erleichtert, falls die Sowjetunion Transparenz auf diesem schwierigen Verhandlungs-Gebiet ermögliche und schon jetzt aufhören würde, jede Woche eine neue SS-20-Rakete zu installieren. Diese Problematik werde wichtiges Thema sein, wenn er demnächst mit Breschnew zusammenkomme. Schmidt beteuerte, daß er sich auf diese Gespräche freue und daß er sie als „Teil des westlichen Bündnisses“ führen werde.

An die Demonstranten gerichtet sagte Schmidt, er werfe sie nicht in einen Topf mit denen, die Gewalt als ein Mittel der Politik ansähen. Er forderte sie aber auf, zu bedenken, daß sich „sehr zwielichtige Gestalten an ihre Rockschöße gehängt“ hätten. Von ihnen sollten sie sich nicht mißbrauchen lassen. „Wenden Sie sich an alle, die Atomwaffen besitzen, daß sie ihre atomare Rüstung verringern, wenden Sie sich auch an alle, die ihren Rüstungsaufwand steigern“, sagte Schmidt und forderte die Demonstranten auf, die Sowjetunion nicht als Adressaten ihres Protestes zu übersehen.



Quelle: „Schmidt: Die Jugend soll auch die Sorgen unserer Generation ernst nehmen / Warnung vor ‚zwielichtigen’ Demonstranten in Bonn / Kohl: Zwei verschiedene Welten in der SPD “, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Oktober 1981.

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