GHDI logo

Frauenemanzipation auf dem Vormarsch (22. April 1977)

Seite 3 von 5    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Inzwischen nun macht sich ein neues Bewußtsein breit. Frauen im heiratsfähigen Alter unterwandern die „Kinderproduktion". Kein Pillenknick bedroht die deutsche Bevölkerung. Eher beginnt sich eine schleichende Lysistrata-Bewegung abzuzeichnen.

„Die Welt ist mütter- und kinderfeindlich geworden", finden junge Frauen, die den Bogen ihrer Argumente vom patriarchalischen Mann bis zum Kernkraftwerk spannen. Die Panik der Politiker angesichts des Geburtenrückgangs sei nicht mehr als „nationale Eitelkeit". „Die sollen doch froh sein", finden „gebäraktive" Nichtmütter, „Arbeitslosigkeit, überfüllte Universitäten, wegrationalisierte Arbeitsplätze, kostspielige Sozialpolitik, zu wenig Kindergärten, keine Planstellen für Lehrer — was soll's also."

32 Prozent der von der Frauenzeitschrift Brigitte kürzlich unter die Lupe genommenen Männer hielten nichts von der Gleichberechtigung und fanden dafür so triftige Gründe wie: „Männer wollen keine Frauen haben, die ein Kreuz wie ein Holzfäller und Pranken wie ein Bauarbeiter haben", oder „auch für Spitzenpositionen sind Frauen zu emotionell veranlagt", und „mit Eintreten des Mutterdaseins sehe ich die Frauen lieber in völliger Hinwendung zu ihren Kindern". Zu fast 100 Prozent waren sich die Männer in der Tendenz einig: Bedauerndes Kopfschütteln, aber zum Zuge kommen könne nunmal eben nur die eine Hälfte der Menschheit. Die logische Konsequenz daraus: Die andere Hälfte will das Gegenteil beweisen, um zu ihrem Recht zu kommen.

Eheberatungsstellen in der Bundesrepublik machen immer öfter die Erfahrung: Konflikte, die den Bund fürs Leben sprengen, entstehen aus dem Wunsch und Wollen der Frauen nach Selbständigkeit. Selbst junge Mütter mit Kleinkindern klemmen sich entschlossen den Nachwuchs unter den Arm und versuchen es auf eigene Faust. 72 Prozent der Ehescheidungen reichen nicht die Männer ein, sondern ihre „bessere Hälfte". Daß sie damit den harten Existenzkampf der ledigen Mutter auf sich nimmt, beweist, wie ernst sie es meint. Angesichts dieser Entwicklung ist man fast versucht zu behaupten, die Zahl der männlichen Junggesellen wächst nur deshalb, weil die Frauen das unbezahlte Dienstleistungsgewerbe Haushalt satt haben.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite