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Trotz Reform weiterhin ein Tabuthema (12. März 1973)

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Mit der Darstellung einer zur Karikatur verfremdeten „Welt der Schwulen“ (Praunheim) wollte der Regisseur „die Homosexuellen aufrufen, ihre unmäßige Angst zu überwinden und selbst für ihre Rechte zu kämpfen“.

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Die sogenannte Modifizierung des Paragraphen 175, die in der deutschen Justiz sieben Jahrzehnte hindurch erörtert, aber nie erledigt wurde, kam 1969 nur als Kompromiß zustande. Eile schien geboten, weil in Europa fast nur noch die Bundesrepublik die Homosexualität unter Männern bestraft.

Daher ist auch der jetzt geltende Paragraph 175 mit allen aus Kompromiß und Eile gezeugten Mängeln behaftet: Nunmehr ist zwar nicht mehr strafbar, wenn Männer über 21 Jahren miteinander „Unzucht treiben" (was immer das auch bedeuten mag), aber dafür werden Heranwachsende mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht: „Ein Mann über 18 Jahre, der mit einem anderen Mann unter 21 Jahren Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt."

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Daß in der Bundesrepublik das Schutzalter von 21 Jahren auf 18 Jahre gesenkt wird, ist im Strafrechts-Sonderausschuß schon so gut wie sicher.

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Empfindlicher als jedes Strafgesetz trifft die Homosexuellen das ungeschriebene Gesetz der Gesellschaft, das sich nicht mit einem Federstrich beseitigen läßt. Geerds: „Auch bei Straflosigkeit bleibt der Homosexuelle ein Gegenstand unverhohlener Verachtung und gesellschaftlicher Ächtung. Er hat daher weiter viel, sehr viel Anlaß, seine andersartige Veranlagung nicht zur Schau zu stellen, sondern sie im Gegenteil so sehr wie irgend möglich zu verbergen."

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Quelle: „Bekennt, daß ihr anders seid“, Der Spiegel, 12. März 1973, S. 46-62.

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