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Familie, Erziehung und die Rolle der Frau
(3. Dezember 1961)

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Erschwerend tritt hinzu, daß die zunehmende Dauer der Berufsausbildung — die im übrigen immer häufiger auch eine Trennung vom Familienhaushalt erforderlich macht, die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Mitleistung der heranwachsenden Kinder weiter eingeschränkt hat. Die Ausdehnung der Schulpflicht auf ein neuntes und vielleicht noch auf ein zehntes Schuljahr sowie der Ausbau der weiterführenden Ausbildungsgänge werden diese wirtschaftliche Belastung noch erhöhen.

Dies und eine Reihe anderer Faktoren haben dazu geführt, daß die wirtschaftliche Belastung der Familie mit Kindern aus nicht von der einzelnen Familie zu vertretenden Gründen allgemein erheblich größer geworden ist und daß somit der Besitz von Kindern zu sozialer Deklassierung, zum Abstieg in ganz andere soziale Schichten führt. Diese Entwicklung hat nun zu Konsequenzen geführt, die in unserem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung sind. Sie hat die Familie zu zwei Notausgängen gedrängt, die zwar die wirtschaftliche Bedrängnis und Deklassierung mildern, dafür aber ihre Erziehungskraft an entscheidender Stelle schwächen: Die Familie antwortet auf ihre wirtschaftliche Zwangslage zum einen mit der Erwerbstätigkeit der Hausfrau und Mutter, zum anderen mit der Einschränkung der Zahl ihrer Kinder.

Erwerbstätigkeit der Mutter ist keine Lösung

Die außerhäusliche Erwerbstätigkeit unserer Hausfrauen und Mütter aber ist keine "Lösung", sondern ein erzwungenes Unheil. Wir müssen uns immer wieder bewußt machen; daß und wie sich unter der helfenden Hand der Mutter im Elternhaus die geistig-seelische, die persönlichkeitsprägende sogenannte „zweite Geburt“ des Kindes entscheidend gerade auch in den ersten Lebensjahren vollzieht. Durch das tiefe Erleben der Zärtlichkeit, Zusprache und Fürsorge, wie es nur die Mutter zu geben vermag, lernt schon das Kleinkind, Zuneigung und Liebe zu empfinden und zurückzugeben. Es ist angewiesen auf die liebende und geliebte Person der Mutter, an der es sich beim Hineinwachsen in eine ihm zunächst fremde Welt halten kann. Der Mutter zuliebe lernt das Kind, sich zu beherrschen, sich Fertigkeiten anzueignen, gut zu sein und selbständig zu werden.

Liebende Hingabe der Mutter in ihrer Stetigkeit und Tiefe sind und bleiben aber auch entscheidend für die Entwicklung des größeren Kindes und des Jugendlichen. Die Mutterliebe und Muttersorge trägt den jungen Menschen hinweg über die Klippen des Bildungsweges und die Krisen der Reifezeit, stellt ihm das gute Beispiel vor Augen, vermittelt ihm Leitbilder und Wertmaßstäbe, begleitet ihn mit verstehender und verzeihender Anteilnahme auf dem Weg ins Leben, auf der Suche nach dem eigenen Standort, nach tragenden Interessen, Ideen, Idealen, weckt und stärkt die Kräfte des Gemüts und des Gewissens. Sie gründet als erste auch den Gottesglauben und das Wissen um den eigentlichen Sinn unseres Lebens als tragendes Fundament für die ganze weitere Entwicklung.

Mutterberuf ist darum Hauptberuf und als solcher wichtiger als jeder Erwerbsberuf. Mutterberuf ist Berufung von unermeßlicher Tragweite, fortwirkend in Gegenwart und Zukunft unseres Volkes.

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Quelle: Franz-Josef Wuermeling, „Die Familie von heute und ihre Erziehungskraft“, in Bulletin (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung), Nr. 238, 21. Dezember 1961, S. 2241-43, und Nr. 239, 22. Dezember 1961, S. 2249-51.

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