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Österreichische Denkschrift (1863)

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Die Grundlinien für ihren Reformplan sind somit bereits gezeichnet. Sie wird die Errichtung eines Bundesdirectoriums und die periodische Einberufung einer Versammlung von Abgeordneten der Vertretungskörper der Einzelstaaten in Vorschlag bringen. Nicht verkennend, daß es starker Gegengewichte bedarf, um gegenüber dieser letzteren Einrichtung das monarchische Princip und die berechtigte Selbstständigkeit der Einzelstaaten gegen mögliche Übergriffe sicher zu stellen, neigt sie sich zugleich zu dem Gedanken, daß die beste Garantie dieser Art und ein werthvolles Mittel zur Wahrung der fürstlichen Rechte und der hohen Stellung der deutschen Dynastien in periodischen persönlichen Vereinigungen der Souveräne Deutschlands gefunden werden könnte. Auf den Vorschlag der Errichtung eines Bundesgerichts endlich wird sie unter angemessenen Modificationen gleichfalls zurückkommen. Dies sind in den wesentlichsten Umrissen die Absichten des Kaisers in Bezug auf die Grundlagen einer heilsamen Lösung dieser ernsten Frage.

Was aber die Mittel und Wege betrifft, um eine Verständigung der deutschen Regierungen über die Frage der Bundesverfassung herbeizuführen, so begründet mehr als Eine Erfahrung die Besorgniß, daß es weder schriftlichen Unterhandlungen der Cabinette, noch auch Conferenzen der Minister gegeben sein würde, die zahlreichen Schwierigkeiten dieses Unternehmens zu bemeistern. Die Frage der Reform berührt so vielfache Interessen, sie eröffnet das Feld der Discussion für so mannigfaltige unvereinbare Wünsche und Meinungen, daß die Summe der hemmenden und störenden Momente, der ängstlichen Zweifel, der unlösbaren Widersprüche leicht in das Unendliche anwachsen und jede Hoffnung auf Erfolg überwuchern würde, wenn man von bloßen Unterhändlern, die kein eigenes freies Verfügungsrecht zur Berathung mitbrächten, den Sieg über alle jene Hindernisse und das Gelingen der Einigung erwarten wollte. Die deutschen Fürsten aber in eigener Person, die Träger der Rechte, um die es sich handelt, die höchsten Interessenten an Deutschlands Sicherheit und Wohlfahrt, von deutscher Gesinnung sämmtlich beseelt, werden sich durch unmittelbaren Gedankenaustausch leichter und besser als durch Mittelspersonen über die große Aufgabe verstehen. Im Geiste des Kaisers ist daher der Entschluß gereift, die Fürsten Deutschlands und die Magistrate der Freien Städte zum Zwecke eines Einverständnisses über die Reorganisation des deutschen Bundes zu einer Zusammenkunft einzuladen, und der Kaiser eröffnet diese Absicht vor allen Andern dem mächtigsten Seiner deutschen Bundesgenossen, dem Könige von Preußen.

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