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Kulturföderalismus in der Defensive (20./21. April 1978)

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Aus der Staatsqualität der Länder und ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung als Gliedstaaten des Bundesstaates folgt die Befugnis, aber auch die Pflicht, bei der Erfüllung der Aufgaben untereinander und mit dem Bund zusammenzuwirken.

Mit dem durch die Grundgesetzänderung im Jahre 1969 eingeführten Institut der Gemeinschaftsaufgaben wurden zwei neue Formen der Koordinierung von Bund und Ländern auf dem Gebiet der Ziel- und Rahmenplanung ermöglicht. Es handelt sich um den Planungsausschuß für den Hochschulbau, dessen Organisation und Aufgaben im Hochschulbauförderungsgesetz festgelegt ist, und eine nur fakultativ vorgesehene Einrichtung für gemeinsame Planung im Bildungswesen. Mit dem Verwaltungsabkommen über die Errichtung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung haben Bund und Länder im Jahre 1970 ein solches Instrument des kooperativen Föderalismus geschaffen.

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Die Ziel- und Rahmenplanung im Bildungswesen stellt den gemeinsam gebilligten Rahmen dar, in dem sich die Entwicklung des Bildungswesens vollziehen soll. Zur Wahrnehmung gemeinsamer Zielsetzung kommt daher der Koordination im Umsetzungs- und Verwirklichungsprozeß eine hervorragende Bedeutung zu.

Im Interesse der größeren Gleichwertigkeit des Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik erfolgt diese ständige Koordination in der Kultusministerkonferenz. Diese Zusammensetzung der Länder kann sich von einer lockeren Zusammenarbeit (Meinungsaustausch, gegenseitige Unterrichtung) über intensive Kooperation (hierzu gehört insbesondere auch der weite Bereich der gemeinsamen Mitwirkung auf verschiedenen Sachgebieten, insbesondere die partnerschaftliche Mitwirkung der Länder an der auswärtigen Kulturpolitik) bis zur präzisen Koordination durch Absprachen oder Vereinbarungen, sei es der Verwaltungen, sei es der Regierungen, und bis zum Abschluß von Staatsverträgen erstrecken. Bei der Regierungskoordinierung handelt es sich um die Zusammenarbeit parlamentarisch bestellter Minister, die in parlamentarischer Verantwortung stehen. Aus der gleichberechtigten Staatsqualität der einzelnen Länder folgt zugleich das Einstimmigkeitsprinzip für die gemeinsame Koordinierung. Ungeachtet der Schwierigkeiten bei einer einstimmigen Koordinierung, die Mehrheitsentscheidungen ausschließt, führt dieses Prinzip positiv dazu, daß gewichtige Veränderungen, insbesondere im Bildungswesens kontinuierlich und auf der Grundlage einer breiten Einigung aller Beteiligten durchgeführt werden können. In ihrer Wirkungsweise handelt es sich bei den Ergebnissen der gemeinsamen Koordinierung um politische Willenskundgebungen, die unabhängig von ihrer politischen Verbindlichkeit für die Koordinierung sich überwiegend als Empfehlungen an die Länder richten, deren verfassungsrechtliche Zuständigkeit unberührt bleibt. Dies bedeutet, daß derartige Empfehlungen und Vereinbarungen erst dann zu verbindlichem Landesrecht werden, wenn sie von den zuständigen Landesorganen in der landesrechtlich vorgesehenen Form transformiert werden.

Anmerkung: Auf einer Besprechung der Ministerpräsidenten der Länder am 11./12. Mai 1978 haben die von der CDU bzw. CSU regierten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein erklärt, »daß sie keinen Schlußfolgerungen aus dem Bericht der Bundesregierung zustimmen, die eine Zentralisierung von Bildungszuständigkeiten im Wege einer Grundgesetzänderung zum Inhalt haben«.



Quelle: „Stellungnahme der Kultusministerkonferenz zum Bericht der Bundesregierung über die strukturellen Probleme des föderativen Bildungssystems (Strukturbericht) vom 20./21. April 1978“, abgedruckt in Oskar Anweiler et al., Hg., Bildungspolitik in Deutschland 1945-1990. Ein historisch-vergleichender Quellenband. Opladen, 1992, S. 86-89.

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