Der bekannteste deutsche und bis heute geschätzte Militärtheoretiker des frühen 19. Jahrhunderts war der preußische Generalmajor Carl von Clausewitz (1780-1831). Seine Abhandlung Vom Kriege, die auf Clausewitz’ eigenen Erfahrungen während der napoleonischen Kriege und seinen ausführlichen militärhistorischen Studien beruhte, entstand in den 1820er Jahren. Veröffentlicht wurde sie jedoch erst nach seinem Tod. Das Buch wird noch heute von Militärstrategen zitiert, und allgemein bekannt ist die berühmte Wendung „der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. In den hier ausgewählten Passagen wird jedoch eher deutlich, was man im frühen 19. Jahrhundert unter der Kunst der Kriegsführung verstand. Clausewitz beschrieb die zunehmende Überlegenheit der Infanterie gegenüber den anderen Teile der Armee sowie die Schwierigkeiten, die ihrem effektiven Einsatz entgegenstanden: Lange Märsche ermüdeten eine Armee und brachten ihre Organisation durcheinander; defensive Operationen waren mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich als offensive. Zugleich vertrat Clausewitz die Auffassung, seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert sei die Kriegsführung immer umfassender geworden und habe sich zunehmend auf weiter reichende Ziele und einen totalen Sieg gerichtet. Es war deshalb eine Forderung der Strategie, aggressiv vorzugehen, um einen totalen Sieg zu erlangen, während militärtaktische Erwägungen gleichzeitig nahe legten, dass derartige Unternehmungen eher wenig Erfolg versprachen.
Eine Lösung dieses Dilemmas bot der erste Chef des preußischen Generalstabs, Helmuth von Moltke (1800-1891), an. In seinem Memorandum von 1861 vertrat Moltke die Ansicht, dass Verbesserungen im Bereich der Militärtechnologie – insbesondere der Drall in Gewehrläufen und Artilleriewaffen sowie die Einführung von Hinterladern – die Feuerkraft der Armee merklich vergrößern würden. Gewehre und Kanonen könnten so ihre Wirkung auf eine weitaus größere Reichweite entfalten, und die Infanterie könne mit ihrem Zündnadelgewehr, dem Hinterlader, den die preußische Armee eingeführt hatte, eine weitaus größere Feuergeschwindigkeit erzielen. Unter diesen Umständen werde derjenige mit der größten Feuerkraft das Schlachtfeld beherrschen, was Frontalangriffe wie die Bajonett-Attacken der napoleonischen Ära im flachen Gelände unmöglich mache. Nach der Schwächung des Gegners durch das vernichtende Feuer von Infanterie und Artillerie könnten tiefgestaffelte Formationen mit ausgedehnten Reserven kampfentscheidende Flankierungs- und Einkreisungsmanövern ausführen und sich bei ihrem Vormarsch die Beschaffenheit des Geländes zunutze machen.
Wie sollten die Truppen jedoch überhaupt auf die Schlachtfelder gelangen, wenn man die Strapazen langer Märsche vermeiden wollte, auf die Clausewitz hingewiesen hatte? Moltke schlug für den Truppentransport ins Kampfgebiet die Eisenbahn vor. In seinem Memorandum vom April 1866 über die Möglichkeit eines Krieges zwischen Preußen und Österreich hielt Moltke fest, dass Preußen Österreich und seinen Verbündeten unter den deutschen Staaten zwar zahlenmäßig unterlegen sei, die preußische Armee durch eine effektive Nutzung der Eisenbahn jedoch mehr Soldaten an die Front in Sachsen und Böhmen bringen könne als Österreich. Als der Krieg zwei Monate später ausbrach, war das tatsächlich der Fall.
Moltkes neue Taktik erwies sich deswegen als so erfolgreich, weil sie allein von Preußen angewandt wurde. Österreich-Ungarn, Preußens diplomatischer und militärischer Hauptgegner unter den Staaten des Deutschen Bundes, hielt an den Bajonett-Angriffen der napoleonischen Zeit fest, setzte seine Truppen weiterhin langsam und vorsichtig und größtenteils zu Fuß in Marsch und verließ sich nach wie vor mehr auf Festungen als auf die Eisenbahn. Fürst Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827-1892) durchlief eine lange militärische Karriere, die ihn schließlich zum General der preußischen Artillerie aufsteigen ließ. 1854 war er als junger Offizier preußischer Militärattaché in Wien. Seine Beobachtungen der österreichischen Armee, die in seinen posthum veröffentlichten Memoiren festgehalten sind, vermitteln den Eindruck einer inkompetent geführten und schlecht ausgebildeten Armee, die nicht imstande war, Fortschritte im Bereich der Militärtheorie oder -technologie richtig zu erfassen.
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