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6. Geschlecht, Familie, und Generationen
Druckfassung

1. Staat und Regierung   |   1.A. Staatenbund oder Nationalstaat?   |   1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?   |   1.C. Emanzipation der Juden   |   2. Parteien und Organisationen   |   3. Militär und Krieg   |   4. Wirtschaft und Arbeit   |   5. Natur und Umwelt   |   6. Geschlecht, Familie, und Generationen   |   7. Regionen, Städte, Landschaften   |   8. Religion   |   9. Literatur, Kunst, Musik   |   10. Die Kultur der Eliten und des Volkes   |   11. Wissenschaft und Bildung

Damals wie heute entsprach das Privatleben mancher Gruppen der Einwohnerschaft in den großen Städten nicht den gängigen Vorstellungen. Der Autor Ernst Dronke (1822-1891) beschrieb in seinem Buch Berlin von 1846 zwei Beispiele der städtischen Lebensweise. Ein Beispiel war Kommerzialisierung der Ehe in Form von Ehevermittlern, die potentielle Eheleute vor allem auf der Grundlage ihres Vermögens zusammenbrachten und damit die Idee von der Ehe als einem auf gegenseitiger Liebe und Zuneigung gegründeten Bund zweier Menschen zur Farce machten. Das andere Beispiel war das Leben der intellektuellen Bohème, in der man die Emanzipation der Frauen befürwortete, zusammenlebte, ohne verheiratet zu sein, und generell die Auffassung ablehnte, die Ehe sei die moralische und religiöse Grundlage des Familienlebens.

In gewissem Umfang kritisierten auch die ersten Frauenrechtlerinnen die vorherrschenden Ehevorstellungen. In der von ihr herausgegebenen Frauen-Zeitung verurteilte die politisch aktive Autorin Louise Otto (1819-1895), dass in ländlichen Gegenden Ehen vor allem auf Grundlage des Besitzes geschlossen würden, während gegenseitige Liebe und Zuneigung (die, wie gezeigt, sogar die Autoren des Staats-Lexikons als Voraussetzung für eine Ehe ansahen) keine Rolle spielten.

Während der Revolution von 1848 war das politische Engagement von Frauen in Mitteleuropa besonders ausgeprägt. Die drei folgenden Beispiele zeigen jedoch, dass dieses Engagement dem in den Artikeln des Staats-Lexikons entwickelten Geschlechterideal häufiger entsprach als es in Frage zu stellen.

In dem Aufruf der verheirateten Frauen und der Mädchen Württembergs an Deutschlands Soldaten beriefen sich die Frauen auf ihre Stellung in Haus und Familie und auf ihre Eigenschaft als vornehmlich liebende und gefühlsbestimmte Wesen, um die Männer zum politischen Handeln zu bewegen.

Louise Ottos Grundsatzerklärung in der Erstausgabe ihrer Frauen-Zeitung vom 21. April 1849 lässt erkennen, wie sorgfältig sie sich um Abgrenzung gegenüber denjenigen „emanzipierten“ Frauenrechtlerinnen bemühte, die jeglichen Unterschied zwischen Männern und Frauen leugneten.

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