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„Kanzelparagraph” (10. Dezember 1871)

Als der Kulturkampf mit der katholischen Kirche Anfang der 1870er Jahre eskalierte, erließ Bismarck mit Hilfe antiklerikaler Liberaler eine Reihe von Gesetzen gegen die ihrer Meinung nach übermäßige Beeinflussung der deutschen Politik durch Papst Pius IX. Der so genannte „Kanzelparagraph“ von 1871, der das vorhandene Strafrecht ergänzte, markierte den Auftakt zu einem breit angelegten Angriff auf die Rechte der katholischen Kirche in Deutschland. Das Gesetz kriminalisierte jegliche öffentlichen Äußerungen Geistlicher, die den „öffentlichen Frieden“ hätten gefährden können.

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Reichsgesetz betreffend die Ergänzung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 10. Dezember 1871


Einziger Artikel

Hinter § 130 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich wird folgender neue § 130 a eingestellt:

Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche, oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.



Quelle: Reichsgesetzblatt, 1871, S. 442.

Abgedruckt in Ernst Rudolpf Huber und Wolfgang Huber, Hg., Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 2, Staat und Kirche im Zeitalter des Hochkonstitutionalismus und des Kulturkampfs 1848-1890. Berlin: Duncker & Humblot, 1976, S. 528.

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