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Bericht der Preußischen Bezirksregierung in Koblenz über jüdische Einwohner (1820)

Der Bericht der Preußischen Bezirksregierung in Koblenz vom 25. Januar 1820 führt normative Kriterien zur Gewährung staatsbürgerlicher Gleichberechtigung auf, die auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Erwerbstätigkeit und Kulturpraxis miteinbezogen. Der negative Bericht des Verfassers, gespickt mit antijüdischen Vorurteilen wie unproduktivem Gewinnstreben, Bestechung, Antinationalismus, religiösem Fanatismus usw. will darlegen, warum man den Juden die Bürgerrechte vorenthalten soll.

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§ 1 [ . . . ] ad 1. In unserem Verwaltungsbezirk [ . . . ] zerfällt (die Gesetzgebung der Juden): A) in die auf der linken und B) in die auf der rechten Rheinseite.

ad A). Die Französische Revolution [ . . . ] hatte für die Juden die glänzendsten Resultate, indem sie ihnen nach dem vorherrschenden Prinzip der Gleichheit das volle Bürgerrecht erwarb. [ . . . ] Diese Gleichheit der Rechte, jedoch weit entfernt, die Verschmelzung der Juden mit den übrigen Staatsbürgern zu veranlassen, vermochte nicht einmal, das Streben der Annäherung an dieselben in ihnen hervorzurufen. Nach wie vor eine eigene Nation bildend, völlig abgeschlossen durch Religionssitten, Denk- und Handlungsweise, wirkten sie vielmehr um so nachteiliger auf das Ganze zurück, je weniger sie noch für die Begünstigung empfänglich waren, die die Revolution und der sie geleitete Geist eingeräumt hatten. Die Krankheit wurde indes [ . . . ] sehr bald erkannt, sehr richtig suchte man das Übel in der Religion und mühte sich nun, um dasselbe mit der Wurzel zu fassen, auf jene möglichst reinigend und veredelnd einzuwirken. [ . . . ]

§ 2-20. ad B) [ . . . ] Bis auf die neuesten Zeiten wurden die Juden [ . . . ] allenthalben nur als Geduldete betrachtet.
[ . . . ] Aus dem Begriff der Duldung folgt, daß die Juden kein volles Bürgerrecht genießen, sondern die Inländischen nur ein gewisses Indigenatrecht, bald mehr, bald weniger beschränkt, je nachdem dieselben vergleitet oder nicht vergleitet, d. h. mit einem Schutzbrief versehen sind oder nicht. [ . . . ] Da die unvergleiteten Juden sich weder verehelichen, noch für eigene Rechnung Handel treiben dürfen, so haben sie die Verpflichtung, in die Dienste der Vergleiteten zu treten. Nach strengen Grundsätzen sollen sie, wenn sie sich weder im Brode ihrer Eltern, noch im Dienst eines anderen vergleiteten Juden befinden, als Vagabunden betrachtet und über die Grenze gebracht werden. Da jedoch kein anderer Staat sie aufzunehmen verbunden ist, so sah man sich in der letzten Zeit um so mehr veranlaßt, von jener strengen Norm wieder abzugehen, als man, wie bereits angeführt, die Juden zum Militärdienst heranzog, so daß es gegenwärtig eine Klasse von inländischen Juden gibt, die, wenn sie alters- oder krankheitshalber in die Dienste vergleiteter Juden zu treten außer Stande sind, im Lande, ohne sich zu verehelichen und ohne Handel zu treiben, (sich) aufhalten dürfen. Was die ausländischen Juden betrifft, so verdient vor allem erwähnt zu werden, daß dieselben einem Leibzoll unterworfen waren, der erst durch die Nassauische Verordnung vom 13. August 1806 abgeschafft wurde. Ihre Aufnahme in den landesherrlichen Schutz hing von den Provinzialregierungen ab. Die Bewilligung derselben gewährte ihnen gleiche Rechte wie den übrigen vergleiteten Juden, jedoch war sie abhängig bei den Juden von dem Besitz eines Vermögens von 1500 Gulden und bei den Jüdinnen von dem Besitz eines Vermögens von 1000 Gulden Auch mußten diese, wie jene, 15 Dukaten Rezeptionsgebühren entrichten. [ . . . ]

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