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Die Konservativen: Friedrich Julius Stahl: „Was ist die Revolution?” (1852)

In der 1852 gehaltenen Rede „Was ist die Revolution?“ legte der konservative Politiker und Jurist an der Berliner Universität, Friedrich Julius Stahl (1802-1861), die Grundsätze konservativen Denkens dar, die sich gegen die Ideen der Französischen Revolution richteten, die christliche Religion in den Mittelpunkt stellten, das monarchische Prinzip verteidigten und den Nationalismus deutlich ablehnten. Stahl warnte außerdem vor den gottlosen, anarchischen Zuständen der Revolution, nicht zuletzt vor dem Kommunismus als ihrer letzten Konsequenz.

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I. Was ist die Revolution?
Ein Vortrag, auf Veranstaltung des Evangelischen Vereins für kirchliche Zwecke am 8. März 1852 gehalten.


Hochgeehrte Versammlung!

Der evangelische Verein hat uns — die wir nicht Theologen sind — die schwierige Aufgabe gesetzt, daß wir durch den Vortrag einer Stunde in den christlichen Mittelpunkt je einer jeglichen Wissenschaft einführen sollen. Ich glaube dieser Aufgabe noch am ehesten entsprechen zu können, wenn ich zum Gegenstande dieses Vortrages die Frage nehme:

„Was ist die Revolution?"

Denn wo die Revolution ist, da ist auch das christliche Zeugniß wider die Revolution. Dieses Zeugniß ist in Preußen abgelegt worden seit dem März 1848 von den Kanzeln der gläubigen Prediger, in den Zeitschriften des kirchlichen Glaubens, auf dem Kirchentage zu Wittenberg 1848, in den Kammern zu Berlin und Erfurt. Es ist das christliche Programm: „mit der Revolution zu brechen!" Auch unsere Regierung hat sich feierlich zu diesem Programm bekannt. Es ist deshalb gewiß ein Interesse der Gegenwart und ist vorzugsweise geeignet, in das Centrum der christlichen Stellung zur Politik einzuführen, daß man klar stelle:

„Was ist die Revolution, was heißt das: mit der Revolution brechen?"

Bedeutet Revolution die Selbsthülfe und Gewaltthat des Volkes gegen seine Obrigkeit? Ist sie dasselbe mit Empörung? — Keineswegs! Die Revolution ist nicht ein einmaliger Akt; sie ist ein fortdauernder Zustand, eine neue Ordnung der Dinge. Empörung, Vertreibung der Dynastie, Umsturz der Verfassung hat es zu allen Zeiten gegeben. Die Revolution aber ist die eigenthümliche weltgeschichtliche Signatur unseres Zeitalters.

Oder bedeutet Revolution die politische Freiheit und die Einrichtungen für politische Freiheit? — Muß man, um nicht der Revolution zu huldigen, ein Anhänger der absoluten Monarchie, oder der regellosen Polizeigewalt, oder der Unwandelbarkeit der alten Rechtsformen sein? Ist es Revolution, eine engere Verbindung der Deutschen Staaten zu wollen, oder einen Schutz der Schleswiger gegen die Dänisirung? Ist es Revolution, dem Willen des Königs oder seiner Minister zu widerstehen? — Das Alles sei ferne! Politische Freiheit, Einheit und Macht Deutscher Nation sind Gottes Ordnung gemäße Ziele. Loyaler Widerstand gegen die Obrigkeit hat Gottes Gebot für sich. Thomas Morus, der dem Könige von England die Anerkennung seines angemaßten kirchlichen Supremats versagte, war kein Revolutionär. Selbst Johannes der Täufer war kein Revolutionär.

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