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Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen: Betrachtungen über den Zustand der österreichischen Armee in 1854 (Rückblick)

Der preußische General Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen (1827-1892) reflektierte 1854 in seinen Betrachtungen über den Zustand der österreichischen Armee über die bis zur napoleonischen Ära zurückreichenden Militärtaktiken und die mangelnde Ausbildung sowie Unfähigkeit dieser Armee, entsprechende Neuerungen des militärischen Denkens zu adaptieren. Sein vernichtendes Urteil über ihre technische Rückständigkeit und das strategische und taktische Unvermögen der meisten adligen österreichischen Offiziere schien sich später durch die österreichische Niederlage gegen Preußen 1866 zu bestätigen.

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Bei der Parade am 12. Juli lernte ich den berühmten Clam Gallas kennen. Ich finde jetzt in meinen Notizen aus der damaligen Zeit, daß ich über ihn nach Berlin schrieb, er sei seiner Stellung als kommandirender General nicht gewachsen, nur ein bramarbasirender Haudegen und weder Taktiker noch Stratege und könne kein Coup d'œil haben. Die Thätigkeit dieses früher so gefeierten Oesterreichischen Generals im Jahre 1859 und 1866 hat mein für einen so jungen Offizier sehr dreistes Urtheil über einen so alten Führer glänzend bestätigt. Ich hatte bei der Parade und später im Kasino Gelegenheit, mich öfter länger mit ihm zu unterhalten, und fand ein so überaus geringes Wissen, ein so unreifes taktisches und strategisches Urtheil, er hatte so gar keine Ahnung von den Kriegsereignissen, in denen er eine Rolle gespielt hatte, daß ich sah, er war nur eine Puppe gewesen, die den Namen zu der Thätigkeit irgend eines Generalstabsoffiziers hergegeben haben mochte. Dabei war er ein vornehmer Grandseigneur durch und durch, liebte Gesellschaften, Jagden, Diners, war freigebig, ritt elegant und behandelte militärische Thätigkeit wie manchen anderen Sport, ohne Ernst, zu seinem Vergnügen. Man erzählte sich von ihm, daß er, als ihm ein Gefechtsbericht zur Unterschrift vorgelegt wurde, beim Anblick des beigefügten Krokis gefragt habe, was denn die garstigen Spinnen bedeuteten, die der Generalstabsoffizier dahin gezeichnet, und daß er sehr erstaunt war, zu hören, daß man so die Berge darstelle.

Der General der Kavallerie, Fürst Franz Liechtenstein, war, wie ich schon erwähnt, damals der Seydlitz des neunzehnten Jahrhunderts in der Meinung der maßgebenden Persönlichkeiten. Als ich seine Bekanntschaft machte, fiel mir auf, daß er sorgfältig auswich, über geschichtliche oder taktische Fragen eine Ansicht auszusprechen, und ich kam zu dem Verdacht, daß er überhaupt keine habe. Darin bestätigten mich die Aeußerungen mancher Generalstabsoffiziere, so vorsichtig sie auch gehalten waren, und die Familie Windischgrätz sagte laut von ihm, daß er der unfähigste von allen Oesterreichischen Generalen sei, ja daß der Fürst Alfred Windischgrätz nach der Schlacht von Schwechat gegen den Fürsten Franz Liechtenstein Kriegsgericht wegen seiner Unfähigkeit und Unthätigkeit verlangt habe. Als aber der Fürst Windischgrätz in Ungnade fiel, da stempelten seine Gegner den Fürsten Franz Liechtenstein zum Helden.

Der alte Fürst Alfred Windischgrätz, der mit eiserner Energie die Ordnung in Prag und Wien im Jahre 1848 wiederhergestellt hatte, war in Ungnade gefallen, weil er nie hatte Kämmerer und Geheimer Rath werden wollen und der Spanischen Sitte des Oesterreichischen Hofes zuwider für sich als Feldmarschall und Fürst einen Rang beansprucht hatte. Der eiserne Mann ertrug die Ungnade mit der Würde eines eisernen Helden aus dem sechzehnten Jahrhundert, wenigstens wie solche Helden in der Geschichte dargestellt werden und vielleicht nie gelebt haben. Es war ein nobler Mann von Charakter und von einem Eigensinn, der über alle Einsicht den Sieg davon trug. Er war ein Freund Preußens, d. h. soweit ein Oesterreicher damals ein Freund Preußens sein konnte. Er hielt nämlich ein Zusammenhalten von Preußen und Oesterreich für den einzigen ersprießlichen Weg für Oesterreich und folgerte daraus für Preußen die Verpflichtung, seinen letzten Blutstropfen für Oesterreichs Wohl zu opfern. Seine Einsicht war langsam, deshalb unentwegbar. Immerhin war er Aristokrat und Ehrenmann durch und durch. Sein Wort war ein Amen in der Kirche. Er war der einzige Oesterreicher, den ich damals kennen gelernt, welcher der Meinung war, daß Oesterreich die eingegangenen Verpflichtungen auch halten müsse, sogar wenn sie gegen Preußen eingegangen wären. Dieser Sinn, der persönliche wie der politische, ging auf seine Söhne über. Daß er in diesem Sinne verletzt wurde, hat ihm später den Tod am gebrochenen Herzen zugezogen. Doch dies gehört einer späteren historischen Epoche an.

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