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Friedrich Graf von Beust preist den Deutschen Bund (1887)

Wie der württembergische Demokrat Ludwig Pfau (1821-1894) verteidigte auch Friedrich Ferdinand Graf von Beust (1809-1886) Deutschlands Vermächtnis der Kleinstaaterei. Beust hatte bei der Niederschlagung des Dresdner Maiaufstands 1849 eine Rolle gespielt und als de facto Regierungschef des Königreichs Sachsen von 1849 bis 1866 leitete er eine Ära der politischen Reaktion ein, die Liberale und Nationalisten gleichermaßen frustrierte. Beust war der einflussreichste Befürworter eines „dritten Deutschlands“ (das im folgenden Text als „Idee der Trias“ erwähnt wird), in dem die Regierungsgewalt im deutschsprachigen Mitteleuropa zwischen Preußen, Österreich und den kleineren deutschen Staaten aufgeteilt werden sollte. Beust war zudem Bismarcks diplomatischer Hauptgegner außerhalb Österreichs und einer der zähsten Verfechter des Deutschen Bundes. Als er Sachsen im Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 an der Seite Österreichs in den Krieg führte, musste er nach der Niederlage von seinem Amt zurücktreten; fast unmittelbar darauf trat er das Amt des Außenministers – dann des Ministerpräsidenten und Reichskanzlers – im Österreich-Ungarischen Reich an. In diesen Auszügen aus seinen Lebenserinnerungen, die über 20 Jahre nach dem Niedergang des Deutschen Bundes (1815-1866) veröffentlicht wurden, versucht Beust seine Gegnerschaft zu Preußen, Bismarck und der kleindeutschen Lösung der Reichseinigung 1871 zu rechtfertigen. Wie Pfau – doch von der entgegengesetzten Seite des politischen Spektrums – glaubte auch Beust, dass die Einheit ohne Verleugnung der föderalistischen Traditionen Deutschlands hätte erreicht werden können.

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War denn dieser Deutsche Bund wirklich etwas so Entsetzliches? Thatsache ist es, dass während der fünfzig Jahre seines Bestandes der äussere Friede ungestört blieb und Deutschland in keinen Krieg verwickelt wurde. Wohl sagt man — ich selbst habe es in meiner letzten Delegationsrede 1871 ausgesprochen —, dass dieses glückliche Resultat vornehmlich dem langwährenden Zusammengehen von Oesterreich und Preussen zu danken gewesen sei. Gewiss! Aber dieses Zusammengehen war durch den Bund geschaffen und ermöglicht, welcher das Bindeglied war. So lange jenes Zusammengehen Dauer hatte, gab es keine Regierung in Deutschland, die ein anderes Programm gekannt hätte, als den Anschluss an die vereinten beiden Mächte. Erst nachdem nach 1848 man in Preussen, unter verschiedenen Formen aber stets mit gleicher Konsequenz, die Richtung des allmählichen Hinausdrängens Oesterreichs eingeschlagen hatte, nahmen, wie es nicht anders kommen konnte, die einzelnen Regierungen theils für Preussen, theils für Oesterreich Partei. Vergessen aber sollte nicht werden, dass nie eine der deutschen Regierungen während jener fünfzig Jahre etwas gethan hat, um das Ausland in deutsche Angelegenheiten hineinzuziehen. Hat es Zeiten gegeben, wo man eine gewisse Deferenz für Russland, später vielleicht für Frankreich wahrnehmen wollte, nun so suche man den Grund anderswo als in Frankfurt. Jahrzehnte-lang wurden ja die deutschen Höfe von Wien und Berlin aus in der Furcht Gottes und des Kaisers Nikolaus erzogen, und nicht sie gaben das erste Beispiel des Entgegenkommens gegen Napoleon III. Kam dagegen der Augenblick, wo die deutschen Bundesfürsten zur Vertheidigung gerufen wurden, waren sie stets dazu bereit. So 1840, so 1859. Und noch Eines, was heute übersehen zu werden pflegt: Es ist sehr befriedigend, sehr erwünscht, immer und immer wieder von den erfolgreichen Bemühungen des Deutschen Reiches und seiner Bundesgenossen für die Erhaltung des Friedens zu hören. Allein je willkommener dieses Resultat der Bemühungen ist, desto zweifelloser folgt daraus mit zwingender Logik deren Nothwendigkeit. Zur Zeit des Deutschen Bundes hörte man selten davon, weil der Friede etwas Selbstverständliches war, was er seit 1866 und 1870 nicht mehr ist.

Das strenge Urtheil, welches über und gegen den Bund erging, traf jedoch zugleich die Vielstaaterei, die Unabhängigkeit der einzelnen Bundesstaaten. Aber kann, darf wohl vergessen werden, dass das Repräsentativsystem seine Entstehung und Entwicklung nicht den beiden Grossmächten verdankte, wo es erst zur Geltung kam, nachdem es in den deutschen Mittelstaaten zwanzig und dreissig Jahre früher seinen Einzug gehalten hatte, und zwar trotz der von Wien und Berlin ihm bereiteten Schwierigkeiten? Kann wohl behauptet werden, dieses System, welches unbestritten Jahrzehnte-lang in Deutschland wie in Frankreich und Italien den Fortschritt bedeutete, sei erst im Deutschen Reich zur höchsten Blüte und höchsten Achtung gelangt? Wohl ist heute die Zahl Derer nicht gering, welche sich des Gegentheils als einer nothwendigen und willkommenen Einschränkung freuen, keiner unter ihnen aber wird eine Bürgschaft dafür bieten, dass nicht Zeiten kommen werden, wo man des Repräsentativsystemes bedürfen wird, nicht als einer Schranke nach oben, sondern als eines Sicherheitsventils nach unten. Diese Zeiten werden kommen, und eine schwere Verantwortung wird alsdann Die treffen, welche heute ihre Macht dazu gebrauchen, muthwillig das Repräsentativsystem zu diskreditiren.

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