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Das antizyklische Konjunkturprogramm der Bundesregierung (20. Dezember 1974)

Um die durch den Ölschock ausgelöste Rezession zu überwinden, stimmte der Bundestag einem umfassenden Konjunkturprogramm zu, das Unterstützung bei privaten Investitionen, eine beträchtliche Steigerung bei den öffentlichen Ausgaben sowie Lohnunterstützungen vorsah, die die Kaufkraft im Inland wiederherstellen sollten.

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Konjunkturprogramm kann in Kraft treten – Bundestag und Bundesrat stimmen zu


Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung kann in Kraft treten. Der Bundestag und der Bundesrat haben dem 10-Milliarden-Vorhaben am Donnerstag nach mehrstündiger Debatte ihre Zustimmung gegeben. Dabei unterstützte auch die Mehrheit der Opposition im Bundestag und der CDU/CSU-regierten Länder im Bundesrat die Vorlage der Bundesregierung. Mit der Verabschiedung des Programms ist der Weg frei für die Förderung privater Investitionen in Höhe von 7 bis 8 Milliarden, zur Zahlung von gezielten Beschäftigungshilfen in Höhe von 600 Millionen zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Wert von 1,1 Milliarden Mark. Der „Mut zum Schuldenmachen“ ist nach den Worten von Bundesfinanzminister Apel in der derzeitigen Konjunktursituation ein wichtiger Beitrag der Finanzpolitik zur Wiedergewinnung des wirtschaftlichen Wachstums.

Die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur und zum Abbau der Arbeitslosigkeit wurde auch von Sprechern der CDU/CSU einmütig unterstrichen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kohl betonte im Bundesrat, das Maßnahmenbündel der Regierung sei zwar notwendig, doch in erheblichem Maße verbesserungsbedürftig. Für die nötige Korrektur des Programms sei jedoch keine Zeit geblieben. Aus der Zustimmung der CDU/CSU lasse sich nicht ableiten, daß die Unionsparteien die vorgesehenen Konjunkturmaßnahmen für gut und richtig hielten. Die CDU/CSU wolle der Bundesregierung jedoch keinen Vorwand geben, für die „wirtschaftlichen Mißerfolge der Zukunft schon jetzt einen passenden propagandistischen Buhmann aufzubauen“. Der Antrag des Landes Baden-Württemberg auf Anrufung des Vermittlungsausschusses wurde von den CDU/CSU-regierten Ländern nicht unterstützt und fand keine Mehrheit im Bundesrat.

Friderichs: Gewisser Streueffekt

Bundeswirtschaftsminister Friderichs räumte vor den Ländervertretern ein, daß die Gewährung einer Investitionszulage mit einem gewissen Streueffekt verbunden sei. Auch Investoren, die ohnehin in den Monaten Dezember 1974 bis Juni 1975 Aufträge vergeben hätten, zögen nun Nutzen aus dem Konjunkturprogramm. Diese Nebenwirkung müsse jedoch im Interesse der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Globalsteuerung in Kauf genommen werden. Eine selektive Anwendung des Investitionszulagengesetzes wäre außerdem ungewöhnlich schwierig.

Die Entscheidung der Bundesbank, den Geldmengenzuwachs auf acht Prozent zu begrenzen, ist nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministers eine gute Voraussetzung, den Aufschwung zu finanzieren, ohne dabei Überwälzungsspielräume zu schaffen. Er begrüße diese Entscheidung, weil das Konjunkturprogramm nur dann zur Belebung beitrage, wenn auch andere Bedingungen erfüllt seien. Dazu gehöre auch die Frage, mit welcher Kostenbelastung die Wirtschaft im nächsten Jahr zu rechnen habe. Durch den Rückgang der Rohstoffpreise und die Abkehr von der Hochzinspolitik seien zwei Kostenelemente bereits annähernd kalkulierbar. Seine letzte Abstützung könne das Programm dann erfahren, wenn sich die Tarifpolitik im gesteckten Rahmen halte. Bei dem Konjunkturprogramm gehe es nicht um eine langfristige Wirtschaftsbelebung, sondern um eine kurzfristige Maßnahme, durch die der Konjunkturzyklus zu einem gewünschten früheren Termin ausgelöst werden solle. Psychologische Faktoren seien bei diesem Prozeß von großer Bedeutung.

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