Amerikanisches Generalkonsulat
Berlin, Deutschland, 21. September 1933 Thema: Der gegenwärtige Stand der antisemitischen Bewegung in Deutschland.
An den
Außenminister der Vereinigten Staaten
Washington
Sir:
Ich habe die Ehre, mich auf meinen vertraulichen Bericht Nr. 1330 vom 23. Mai über den damaligen Stand der antisemitischen Bewegung in Deutschland sowie auf meinen vertraulichen Bericht Nr. 1369 vom 17. Juni zu beziehen, in denen ich den damaligen sozialen, ökonomischen und politischen Status der Juden in Deutschland zusammenfasste. In meinem gegenwärtigen Bericht werde ich versuchen, dem State Department eine Zusammenfassung der Entwicklungen seit meinem letzten Schreiben vorzulegen.
Dr. Achim Gercke ist der „Sachverständige für Rasseforschung“ im Reichsministerium des Innern. In der Anlage übersende ich Ihnen die Übersetzung eines von Dr. Gercke ausgearbeiteten Memorandums über die Grundprinzipien zur „Mischlingsfrage“, das im Zusammenhang mit der Lage der Juden in Deutschland von vorrangigem Interesse ist. Dieses Memorandum war nicht zur Veröffentlichung bestimmt und ging mir über eine vertrauliche Quelle zu. Es verdient die Aufmerksamkeit des State Departments, da praktisch alle die Juden in Deutschland betreffenden Gesetze und Erlässe über Dr. Gercke als Rasseexperten des Reichsinnenministeriums passieren, und weil dieses Memorandum besonders interessant ist, da es die Einstellung des Dr. Gercke zu grundlegenden Aspekten des Problems offenbart. Ich zitiere in der Folge nur einige der relevanten Aussagen des Memorandums:
„Arisch ist nicht, wer weniger als einen Großelternteil jüdische Vorfahren hat; arisch ist, wer überhaupt keine jüdischen Vorfahren hat. [ . . . ] Die Juden- und besonders die Mischlingsfrage muss auf gesellschaftlichem Gebiet gelöst werden. Es muss wieder Sitte werden, dass die Menschen deutschen Blutes nur artgemäße Ehe schließen können. [ . . . ] Zum Grundsätzlichen: Allen Erbgesetzen würde es widersprechen, wollte man unbedenklich jüdische Beimischung in zweiter, dritter oder vierter zurückliegender Geschlechterfolge als nicht vorhanden oder ohne Bedeutung ansehen. Die Erfahrung sagt vielmehr, dass keine Zahl von Geschlechterfolgen angegeben werden kann, die notwendig ist, um den Einfluss der stattgehabten Mischung ausgeschaltet zu wissen“.
In der Anlage finden Sie auch eine Übersetzung eines Artikels von Dr. Gercke, der in der Juniausgabe* der „Nationalsozialistischen Monatshefte“ erschien. Zur Veranschaulichung der Grundeinstellung des Mannes, der als Sachverständiger für die Rasseforschung beim Reichsminister des Innern agiert, ist auch dieser Artikel von besonderem Interesse. Im Folgenden fasse ich bezeichnende Zitate aus diesem Artikel zusammen:
* Es handelte sich tatsächlich um die Maiausgabe des Jahres 1933, Heft 38 – Hg.