9. 7. 43
Luftangriffe auf Deutschland. Die Verlautbarungen alliierter Radiosendungen, wonach die deutsche Rüstungsproduktion infolge der Bombardierungen auf Deutschlands Rüstungszentren bislang um 20 – 30 Prozent gesunken ist, sind völlig unzutreffend. Der Produktionsrückgang ist relativ gering. Die von den alliierten Aufklärungsflugzeugen zurückgebrachten Luftaufnahmen scheinen in weit größerem Maße für die Einschätzung des verursachten Schadens verwendet zu werden als Berichte aus erster Hand. Solche Luftaufnahmen mögen wohl die Zerstörung ganzer Werkstätten zeigen, aber sie geben keine Anhaltspunkte über das tatsächliche Ausmaß der Zerstörung von Maschinenausrüstung. Es wurde nachgewiesen, dass, selbst wenn Werkstätten vollständig vernichtet werden, die Maschinenausrüstung im Allgemeinen nur kleinere Schäden erleidet, soweit sie nicht durch Volltreffer zerstört wird. Die intakten Maschinen werden dann 3 – 4 Wochen nach dem Bombardement, sobald die Trümmer weggeräumt sind, wieder in Betrieb genommen; währenddessen werden die Fabrikgebäude selbst nur soweit wiederhergestellt, als es für den Produktionsablauf nötig ist, um für den Beobachter aus der Luft den Anschein schweren Schadens und der Arbeitseinstellung zu wahren. Ausnahmen von dieser Regel sind natürlich die Werke, die aus ihrer Beschaffenheit heraus bei Volltreffern auf jegliche lebenswichtige Teile vollständig gelähmt werden, wie Kesselgebäude, Kraftwerke, Chemiefabriken, Raffinerien etc.
Die Zerstörung von Wohnhäusern stellt einen Umstand dar, der äußerst ernsthaft die Industrieproduktion stört, und der bisher von den Alliierten noch nicht voll wahrgenommen worden ist. Resultierend aus der umfassenden Zerstörung von Arbeitersiedlungen und Wohnvierteln im Ruhrgebiet ist Wohnraum für Arbeiter so knapp, dass diesem Umstand eher eine merkliche Senkung der Produktionsraten zugeschrieben werden kann als jeglichen direkten Treffern auf Produktionszentren. Der akute Mangel an Baumaterial und Arbeitern macht es praktisch unmöglich, mit dieser Lage fertig zu werden. Auch kann hier keine Abhilfe geschaffen werden, indem man alle Einwohner, deren Anwesenheit für die Rüstungsproduktion nicht essentiell ist, aus den von Luftangriffen bedrohten Gebieten evakuiert, da diese Maßnahme andere ernste Verlagerungen mit sich bringen würde, insbesondere im Transportwesen.
Keine Dezentralisierung in der deutschen Verwaltung.
Entgegen der Überzeugung der Alliierten, dass die deutsche Verwaltung teilweise dezentralisiert worden ist, muss betont werden, dass der gesamte administrative Apparat von Staat und NSDAP weiterhin in Berlin und in den anderen traditionellen Verwaltungszentren konzentriert bleibt und dass darüber hinaus keine Vorbereitungen für irgendeine zukünftige Dezentralisierung getroffen werden. Den wiederholten Einwendungen des Oberkommandos der Wehrmacht wird von der Parteizentrale mit dem Argument begegnet, dass es das Prestige der Partei beschädigen würde, falls die Verwaltungszentren anderswohin verlagert werden, und dass der potentielle Einfluss solch vorsorglicher Maßnahmen auf die Moral der Heimatfront es dringend notwendig macht, sie zu vermeiden. Folglich würde ein konzentriertes Bombardement und die mögliche Zerstörung der zentralen Verwaltungsbehörden, die immer noch in traditionellen öffentlichen Gebäuden untergebracht sind, die deutsche Verwaltung sehr effektiv lähmen.
U-Boot-Krieg.
Bezüglich der abgebrochenen Dönitz-Offensive ist es richtig, dass sie eine große deutsche Niederlage darstellt; aber obwohl die U-Boote tatsächlich Ende Juni zurückgerufen wurden, darf dies nicht als rein defensive Maßnahme angesehen werden, sondern muss in Verbindung mit der Entwicklung neuer Offensivtaktiken als Erwiderung auf die verbesserte alliierte Abwehr gedeutet werden. Das OKW (Oberkommando der Wehrmacht) erwartet zuversichtlich neue große U-Boot-Erfolge im August als ein Ergebnis der neuartigen Offensivstrategie.