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„Gewerbsfreiheit”: Auszug aus dem Staats-Lexikon: „Gewerbe- und Fabrikwesen” (1845-1848)

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es, ungeachtet der fabrikmäßigen Verfertigung von Holz- und Metallarbeiten, Uhren u. dgl. immer noch Arbeiten für Uhrmacher, Schlosser, Büchsenmacher und Schreiner geben. Endlich giebt es auch Handwerke, welche zwar einen Theil ihrer Erzeugnisse der Fabrikation überlassen müssen, aber durch erhöhte Kunstfertigkeit vervollkommnete Producte liefern können, welche ihnen reichlichen Ersatz gewähren und ihr Bestehen sichern. — Es ist im Eingange erwähnt, daß die Freiheit nicht gleichbedeutend ist mit der Vereinzelung. Nach Aufhebung einer auf Zwang begründeten, kastenmäßigen Verbindung, welche in den Organismus des modernen Staates nicht mehr paßt und die bei ihrer Entstehung und Ausbildung vorgesetzten Zwecke nicht mehr erreicht, wird das Bedürfniß des Zusammenwirkens, gepaart mit Einsicht und Gemeingeist, freie Gewerbvereine, die Zünfte der neuen Zeit, zu gründen im Stande sein. Ein solcher Verein kann mehrere einander ergänzende oder mit einander in Verbindung stehende Gewerbe umfassen. Er wird zu Anstalten und Einrichtungen für gute Vorbereitung und weitere Ausbildung mitwirken, also zur Einführung von Gewerbschulen, Anschaffung von Schriften und Modellen; er wird die Behandlung und Unterweisung der Lehrlinge beaufsichtigen, wandernde Gesellen, kranke, arme und arbeitsunfähige Angehörige, ihre Wittwen und Waisen unterstützen, die Interessen der Mitglieder bei der Gemeinde und den Staatsbehörden vertreten. In solchen Vereinen wären zugleich die Elemente gegeben zu einer weiteren Entwicklung der Arbeitsverhältnisse, zu einer Organisation der Arbeit, gegenüber den Nachtheilen des Krieges Aller gegen Alle und der übermächtigen Concurrenz der großen Capitale gegen den einzelnstehenden kleineren Unternehmer. In einem bestimmten Locale könnten alle Bestellungen angenommen und fertige Waaren zum Verkaufe ausgestellt werden, wozu wir in den Industriehallen mehrerer Städte die Anfänge sehen; die Arbeit könnte unter die Vereinsglieder vertheilt und bei dem Zusammenwirken Vieler die Vortheile der Arbeitstheilung in dem Handwerksbetrieb in ausgedehnterem Maße benutzt werden, als es da der Fall ist, wo jeder Meister und Gehilfe bald dieses bald jenes Geschäft vornimmt, durch den Wechsel der Vorrichtungen und Werkzeuge Zeit verliert und nicht in allen Zweigen gleiche Vollkommenheit erzielen kann. Doch, was jetzt noch als sociales Problem die Denker beschäftigt, das wird der Drang der Umstände praktisch machen. — [ . . . ]



Quelle: Carl von Rotteck und Carl Welcker, Hg., Das Staats-Lexikon: Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, zweite neubearbeitete und vermehrte Auflage. Altona: Verlag von Johann Friedrich Hammerich, 1845-48, Bd., 5, S. 747-50.

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