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„Gewerbsfreiheit”: Auszug aus dem Staats-Lexikon: „Gewerbe- und Fabrikwesen” (1845-1848)

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ein Gewerbeschein (Patent), welcher auf ein Jahr oder auf längere Zeit gelöst wird. Die Gebühr, welche für das Patent entrichtet wird, dient zugleich als Gewerbesteuer, doch nicht ausschließlich, weil es ungerecht wäre, die kleineren Gewerbsleute eben so hoch zu besteuern wie die größeren. Es sind daher nicht nur die Ansätze für einen Gewerbschein verschieden, je nach der Seelenzahl der Städte, so daß auch bei der Uebersiedlung von einer kleineren in eine größere Stadt der Mehrbetrag nachzuzahlen ist, sondern es muß auch der Ansatz mit Rücksicht auf den kleineren Betrieb mäßig gegriffen sein, und es kann eine verhältnißmäßige Besteuerung je nach dem Umfang des Gewerbsbetriebs noch weiter ermittelt werden, wobei die Zahl der Gehilfen, die Räumlichkeiten, das Betriebscapital u. s. w. als Kennzeichen dienen. Für die Art und Weise so wie für die Dauer der Vorbereitung bestehen keine Zwangsvorschriften mehr; sie bleibt der freien Uebereinkunft zwischen den Eltern und den Vormündern des Lehrlings und dem Meister überlassen, und es wird überhaupt keine Nachweisung darüber verlangt, in welcher Weise das Gewerbe erlernt worden ist. Eben so wenig finden Zwangsvorschriften für die weitere Ausbildung der Gehilfen, namentlich hinsichtlich des Wanderns statt; in der Sorge für das eigene Fortkommen liegt ein starker Antrieb, Kenntnisse und Geschicklichkeit auf dem geeignetsten Wege zu erwerben. Dagegen kann Denjenigen, die ein Patent lösen wollen, freigestellt werden, sich einer Prüfung zu unterwerfen, deren gutes Bestehen sie dem Publicum empfiehlt; es wird aber eine Prüfung gefordert bei solchen Gewerben, deren ungeschickte Ausübung leicht großen Schaden anrichten könnte, z. B. bei Apothekern, Färbern, Hufschmieden, bei Bauhandwerkern, Schornsteinfegern u. dgl. — Der Uebergang von einem Gewerbe zu einem andern ist dann in den meisten Fällen an keine andere Bedingung gebunden als an die Lösung eines Patents. In den meisten Ländern, wo die Gewerbefreiheit mehr oder minder vollständig durchgeführt ist, wird der Betrieb mancher Gewerbe doch noch von einer Concession, d. h. von einer Genehmigung der Staatsbehörde abhängig gemacht, wie Buchdruckereien, Buchhandlungen, Wirthschaften u. dgl. — Das Concessionswesen läßt sich nur bei wenigen Gewerben und nur dann vertheidigen, wenn nach festen Principien, die auf dem wahren öffentlichen Interesse beruhen, verfahren wird. Allein es wird unbedingt verwerflich und führt zu weit bedenklicheren Misbräuchen als das Zunftwesen, nicht nur in wirthschaftlicher, sondern auch in politischer und moralischer Beziehung, wenn es auf eine größere Zahl von Gewerben ausgedehnt und von dem Polizeistaate als ein Mittel gebraucht wird, Günstlinge zu bevorzugen, redliche selbstständige Männer sammt ihren Familien zu bestrafen und unglücklich zu machen. Wenn wir zwischen der Beibehaltung der Zünfte mit ihrem Zwange und zwischen einer auf dem Concessionswesen beruhenden Gewerbeordnung zu wählen hätten, so würden wir ersteren als dem kleineren Uebel unbedenklich den Vorzug geben. Ueberhaupt wird die Gewerbefreiheit ihre Vorzüge nur in solchen Staaten bewähren, wo freie Staatseinrichtungen bestehen, unter denen sich die menschliche Thätigkeit

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