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Carl von Clausewitz: Auszüge aus Vom Kriege (1832)

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Die Heere wurden aus dem Schatz unterhalten, den der Fürst halb und halb wie seine Privatkasse ansah oder wenigstens wie einen der Regierung und nicht dem Volke angehörigen Gegenstand. Die Verhältnisse mit den anderen Staaten berührten, ein paar Handelsgegenstände ausgenommen, meistens nur das Interesse des Schatzes oder der Regierung und nicht des Volkes; wenigstens waren überall die Begriffe so gestellt. Das Kabinett sah sich also an wie den Besitzer und Verwalter großer Güter, die es stets zu vermehren trachtete, ohne daß die Gutsuntertanen bei dieser Vermehrung ein sonderliches Interesse haben konnten. Das Volk also, welches bei den Tatarenzügen alles im Kriege ist, bei den alten Republiken und im Mittelalter, wenn man den Begriff desselben gehörig auf die eigentlichen Staatsbürger beschränkt, sehr vieles gewesen war, ward bei diesem Zustand des achtzehnten Jahrhunderts unmittelbar nichts, sondern hatte bloß durch seine allgemeinen Tugenden oder Fehler noch einen mittelbaren Einfluß auf den Krieg.

Auf diese Weise wurde der Krieg in eben dem Maße, wie sich die Regierung vom Volke trennte und sich als den Staat ansah, ein bloßes Geschäft der Regierungen, welches sie vermittelst der Taler in ihrem Koffer und der müßigen Herumtreiber in ihren und den benachbarten Provinzen zustande brachten. Die Folge war, daß die Mittel, welche sie aufbieten konnten, ein ziemlich bestimmtes Maß hatten, welches die eine von der anderen gegenseitig übersehen konnte, und zwar ein Maß sowohl ihrem Umfang als ihrer Dauer nach; dies raubte dem Kriege die gefährlichste seiner Seiten: nämlich das Bestreben zu dem Äußersten und die dunkle Reihe von Möglichkeiten, die sich daran knüpft.

Man kannte ungefähr die Geldmittel, den Schatz, den Kredit seines Gegners; man kannte die Größe seines Heeres. Bedeutende Vermehrungen im Augenblick des Krieges waren nicht tunlich. Indem man so die Grenzen der feindlichen Kräfte übersah, wußte man sich vor einem gänzlichen Untergange ziemlich sicher, und indem man die Beschränkung der eigenen fühlte, sah man sich auf ein mäßiges Ziel zurückgewiesen. Vor dem Äußersten geschützt, brauchte man nicht mehr das Äußerste zu wagen. Die Notwendigkeit trieb nicht mehr dazu, es konnte also nur der Mut und Ehrgeiz dazu treiben. Aber diese fanden in den Staatsverhältnissen ein mächtiges Gegengewicht. Selbst die königlichen Feldherren mußten behutsam mit dem Kriegsinstrumente umgehen. Wenn das Heer zertrümmert wurde, so war kein neues zu beschaffen, und außer dem Heere gab es nichts. Dies heischte große Vorsicht bei allen Unternehmungen. Nur wenn sich ein entschiedener Vorteil zu ergeben schien, machte man Gebrauch von der kostbaren Sache: diesen herbeizuführen, war eine Kunst des Feldherrn; solange aber, wie er nicht herbeigeführt war, schwebte man gewissermaßen im absoluten Nichts, es gab keinen Grund zum Handeln, und alle Kräfte, nämlich alle Motive, schienen zu ruhen. Das ursprüngliche Motiv des Aggressors erstarb in Vorsicht und Bedenklichkeit.

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