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Carl von Clausewitz: Auszüge aus Vom Kriege (1832)

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Die Teilung Polens war über 100 Jahre vorher mehrmals zur Sprache gekommen, und das Land war seitdem nicht wie ein geschlossenes Haus, sondern wie eine öffentliche Straße zu betrachten gewesen, auf der sich beständig fremde Kriegsmacht herumtummelte. Sollten die anderen Staaten dies alles verhindern, sollten sie beständig das Schwert gezückt haben, um die politische Heiligkeit der polnischen Grenze zu bewachen? Das heißt eine moralische Unmöglichkeit fordern. Polen war in dieser Zeit politisch nicht viel mehr als eine unbewohnte Steppe; und sowenig man imstande gewesen wäre, diese zwischen anderen Staaten gelegene, verteidigungslose Steppe vor ihren Eingriffen immer zu schützen, ebensowenig konnte man die Unverletzlichkeit dieses sogenannten Staates sichern. Aus allen diesen Gründen sollte man sich ebensowenig über den geräuschlosen Untergang Polens verwundern als über den stillen Untergang der krimschen Tatarei; die Türken waren dabei in jedem Fall mehr interessiert als irgendein europäischer Staat bei der Erhaltung Polens, aber sie sahen ein, daß es vergebliche Anstrengung sein würde, eine widerstandlose Steppe zu schützen. —

Wir kehren zu unserem Gegenstand zurück und glauben dargetan zu haben, daß ein Verteidiger im allgemeinen mehr auf äußeren Beistand rechnen darf als der Angreifende; er wird um so sicherer darauf rechnen dürfen, je bedeutender sein Dasein für alle übrigen, d. h. je gesunder und kräftiger sein politischer und kriegerischer Zustand ist.

Die Gegenstände, welche wir hier als eigentliche Mittel der Verteidigung genannt haben, werden nicht jeder einzelnen Verteidigung zu Gebot stehen, das versteht sich von selbst, bald werden die einen fehlen, bald die anderen, aber dem Kollektivbegriff der Verteidigung gehören sie insgesamt an.

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