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Hedwig Dohm, „Was die Pastoren von den Frauen denken” (1872)

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Ich möchte wohl die Frau sehen, die sich oder ihre Kinder einem weiblichen Arzt anvertrauen würde, wenn sie diesem weniger Ruhe, Verstand und Energie als dem männlichen zutraute! Nicht eine Katze würde ich von einer solchen Ärztin kurieren lassen, Herr von Nathusius. [ . . . ]

In neuester Zeit ist man, und wohl mit Recht, mißtrauisch gegen Spezialärzte geworden, weil bei ihnen die Befürchtung naheliegt, daß durch eine andauernde Beschäftigung mit einem einzelnen Organ der Blick für die physischen Zusammenhänge in ihrer Totalität getrübt werden könnte. Und Sie wollen uns mit dilettantisch ausgebildeten Spezialärztinnen beglücken? Das heißt ja förmlich Kindermord predigen! [ . . . ]

Als dritte Berufsart läßt Herr von Nathusius die Lehrerin gelten und

„erschrickt nicht vor dem Gedanken von Elementarlehrerinnen für Knaben.“

„Wie viel billiger‘, meint er, „würde eine Lehrerin dem Gemeinde- oder Patronatssäckel zu stehen kommen.“

Wieder der herrliche Grundsatz, selbst bei geistiger Arbeit nicht die Leistung zu bezahlen, sondern nur so viel als die Leistende eben braucht, um nicht zu verhungern. Den Unterricht der Frauen an höheren Schulen will Herr von Nathusius ausgeschlossen wissen, schon

„um deswillen, weil seiner Überzeugung nach jede Kollegialität zwischen Männern und Frauen sich nicht nur als verderblich, sondern auch als dauernd unausführbar, weil widernatürlich, erweisen dürfte.“

Herr von Nathusius begründet seine Ansicht an dieser Stelle nicht näher. Warum, fragen wir uns erstaunt, hält er diese Kollegialität für widersinnig und verderblich, obgleich dieselbe seit vielen Jahren in den Elementarklassen und Volksschulen, der großen Städte wenigstens, besteht, ohne daß unseres Wissens jemals widernatürliche Erscheinungen dabei zu Tage getreten wären?

Hält er vielleicht unsere soliden, ehrbaren deutschen Lehrer und Familienväter für lauter verkappte Don Juans, oder sieht er diese Kollegialität wie einen Feldzug zwischen den beiden Geschlechtern an, bei dem die Eitelkeit der männlichen Kollegen Wunden davontragen könnte?

Ich verstehe hier Herrn von Nathusius ganz und gar nicht.

Zweitens schließt er die Frau von höheren Schulen aus,

„weil eigentlich gelehrte Bildung stets außerhalb des Frauenberufs liegen bleiben wird und muß.“

Gelehrte Bildung scheint Herrn v. Nathusius als etwas besonders Wunderbares und Erhabenes vorzuschweben.

Gelehrt, Herr von Nathusius, kann ein jeder werden, der, mag sein Verstand immerhin mäßig, ja dürftig sein, recht viel – verzeihen Sie den vulgären Ausdruck – Sitzfleisch hat; und Fleiß und Ausdauer hat meines Wissens noch niemand den Frauen abgesprochen.

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