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Hedwig Dohm, „Was die Pastoren von den Frauen denken” (1872)

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Sie selbst erzählen von einem wilden Volk, bei dem die Männer sich ins Bett legen, wenn ihre Frauen in die Wochen kommen. Wenn diese Wilden sich gebildet ausdrücken könnten, so würden sie das jedenfalls für ein ‚Naturgesetz‘ erklären, das nicht wanken und weichen könne. Und diese Gesetze, ‚die nicht wanken und weichen können‘, nicht wahr, sie haben festgestellt, daß die Tagelöhnerfrau nun schon seit Jahrhunderten jahrein, jahraus im Schweiße ihres Angesichts ihr trockenes Brot herunterwürgen muß, während die reiche Gräfin oder Prinzessin zur selben Zeit mit Delikatessen und Nichtstun ihr Nervensystem ruiniert?

Diese unglücklichen Naturgesetze scheinen die Sündenböcke für alle haarsträubende Dummheit, für jede Niedertracht der Menschen und Zeiten zu sein. Die Sitte knüpft nicht etwa an Naturgesetze an, sie ist viel öfter das Kind des Vorurteils als des Urteils. Sie wissen ebensogut wie ich, daß die Sitte nur die Form ist, in der sich der Geist einer bestimmten Zeitperiode offenbart, umfasse diese Zeitperiode nun die Dauer eines Jahrzehnts oder dreier Jahrtausende!

Das aber ist das Tragische unserer gesellschaftlichen Zustände, daß ihre Formen oft den Geist, der einst in ihnen lebte, überdauern. Und diese toten Formen nun, diese Gespenster, haben die unerhörte Anmaßung, bei hellem Tage über lebendige Geister herrschen zu wollen!

Und dann, Herr v. Nathusius, als die ersten Frauen geschaffen wurden, gab es wahrscheinlich noch gar kein Haus und vielleicht Jahrtausende hindurch kein Haus, keine Kleidung, kein Feuer, und es ist anzunehmen, daß, hätte die Natur die Frauen ausschließlich für das Haus bestimmt, so würde sie ihnen einen kleinen Feuerherd, einen Nähtisch und einen Besen mit auf die Welt gegeben haben.

Oder wissen Sie vielleicht vermöge geheimnisvoller Offenbarung etwas von den tausend und aber tausend Jahren, die den lumpigen paar Jahrtausenden, von denen wir anderen etwas wissen, vorausgingen? [ . . . ]

„Das Haus zu ernähren“, fahren Sie fort, „liegt seit dem Paradieses-Ausgang dem Manne ob“ u. s. w.

Wie gesagt, außer Ihnen weiß niemand etwas von den Urzuständen der Menschheit, obgleich die Vermutung naheliegt, daß unsere heutigen Frauen denen der Urzeit ebensowenig gleichen mögen, wie die Referendare und Lieutenants von heute den Pfahlbautenbewohnern. Aber bleiben wir bei der Gegenwart.

„Es ist die Pflicht des Mannes“, sagen Sie, „das Haus zu erhalten.“

Warum vergessen Sie bei dieser Gelegenheit, Ihren Bannstrahl zu schleudern gegen die Männer, die reiche Frauen heiraten? [ . . . ]

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