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Hedwig Dohm, „Das Stimmrecht der Frauen” (1876)

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Als ob die beste Mutter diejenige wäre, deren ganzes Tun und Denken in dem Kinde aufgeht. Als wäre der der beste Jurist, welcher sein Leben lang nur juristische Bücher liest, oder der der beste Arzt, welcher nichts tut als Leichen sezieren und Arzneikunde studieren. So gewiß das einseitige Studium eines ganz beschränkten Faches nur verbohrte Gelehrte oder wissenschaftliche Handwerker produzieren wird, so gewiß wird auch in den meisten Fällen die Frau, deren ganzes inneres Leben sich um Küche und Kind dreht, mit jener blinden Mutterliebe und jenem beschränkten Dusel behaftet sein, die selten dem Kinde wohltun, ihm aber desto öfter Seele und Körper schädigen.

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Wenn die Männer vom weiblichen Geschlecht sprechen, so haben sie dabei nur eine ganz bestimmte Klasse von Frauen im Sinn: Die Dame.

Wie nach dem bekannten Ausspruch jenes bekannten österreichischen Edelmannes der Mensch erst bei dem Baron anfängt, so fängt bei den Männern das weibliche Geschlecht erst da an, wo es Toilette und Konversation macht und Hang zu Liebesintriguen und Theaterlogen verrät.

Geht auf die Felder und in die Fabriken und predigt Eure Sphärentheorie den Weibern, die die Mistgabel führen, und denen, deren Rücken sich gekrümmt hat unter der Wucht zentnerschwerer Lasten! Könnt Ihr allen Frauen ein behagliches Daheim schaffen und einen Mann, der für sie sorge? Nein – Ihr könnt es nicht. Seid Ihr Sphärenanbeter auch alle, alle verheiratet und habt Ihr allesamt arme Mädchen geheiratet, um der Versorgung des weiblichen Geschlechts Rechnung zu tragen? Nein, Ihr habt es nicht getan. Nun denn, aus dem Wege mit Euch, Ihr Sphärenfabrikanten, gebt Raum und Luft für die Millionen an Geist und Körper gesund geborenen Geschöpfe, die da verkümmern, weil sie Frauen sind. [ . . . ]

Ist es wahr, was Ihr behauptet, daß die Familie der Beruf der Frau sei und auf der Familie der Staat beruhe und sein Wohl, ist das Eure aufrichtige Meinung und nicht bloß Eure Phrase, so schmäht und verachtet jeden unverheirateten Mann als einen Hochverräter an der Natur und einen Übeltäter am Staat und nimmermehr öffnet ihm die Pforten Eurer Kammern. [ . . . ]

Häusliche Pflichten und politische Pflichten sind unvereinbar.

Wie edel, daß unsere Gesetzgebung sich so sehr gedrungen fühlt, die Weiber zu ihren häuslichen Pflichten anzuhalten!

Warum aber sorgt die Gesetzgebung nicht auch dafür, daß der Mann seine Privat- und Berufspflichten erfülle? Und warum ordnet sie nicht an, daß jeder verheiratete Mann, sobald die Glocke zehn geschlagen hat, von einem Schutzmann nach Hause geholt wird, und warum läßt sie nicht Clubs, Restaurants und andere schlimme Lokale zur Polizeistunde schließen, damit der Beamte, der Künstler oder der Kaufmann nicht etwa am anderen Morgen durch Katzenjammer, einen Schnupfen und hypochondre Laune an der Ausübung seiner Berufspflichten verhindert werde?

Warum erdreistet man sich zu glauben, daß die Frau, zur Freiheit gelangt, nichts Eiligeres tun würde, als ihre Pflichten zu verletzen, während man dem Manne gegenüber einem solchen Verdacht nicht Raum gibt!

Wer darf nach Gründen fragen, wo der stupide Glaube diktiert! Häusliche und politische Pflichten sind unvereinbar.

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