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Hedwig Dohm, „Das Stimmrecht der Frauen” (1876)

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Dritter Grund: Die Frauen haben nicht die Fähigkeit, das Stimmrecht auszuüben.

Dieses Argument ernsthaft zu erörtern, erläßt man uns wohl.

Es gibt keine körperlichen und geistigen Eigenschaften, die in irgendeinem Lande Bedingungen des Wahlrechts wären. Die Schwachen und Kranken, die Krüppel und Dummen und die Brutalen, in Amerika noch unzivilisierte Neger, sie alle sind wahlberechtigt. Vollends dem allgemeinen Wahlrecht gegenüber ist dieser Vorwand einfach absurd. Jede Frau, die schreiben und lesen kann, steht an Fähigkeiten über dem Mann, der diese Kunst nicht versteht.

Man frage die Juristen Englands.

Schwerlich würden diese Herren den Satz der Unfähigkeit des weiblichen Geschlechts ohne Scham und Erröten zu verteidigen imstande sein, nachdem jüngst zwei englische Damen trotz der Konkurrenz zahlreicher männlicher Mitbewerber die beiden ersten juristischen Preise in England davongetragen haben. [ . . . ]

Der Governor Campbell von Wyoming (des ersten amerikanischen Staates, der den Frauen das Stimmrecht gewährt hat) stattet an die gesetzgebende Versammlung des Territoriums von Wyoming einen befriedigenden Bericht über die politische Wirksamkeit der Frauen ab. Er sagt:

„Vier Jahre sind es her, seitdem die erste gesetzgebende Versammlung zu W. das
Experiment gewagt hat, den Frauen bei den Regierungsangelegenheiten eine Stimme
zu verleihen.

Ich habe schon einmal die Gelegenheit wahrgenommen, mich über die Weisheit und
Gerechtigkeit dieser Maßregel zu äußern und meine Überzeugung dahin
auszusprechen, daß die Resultate dieser Maßregel als durchaus günstige zu
bezeichnen sind. Zwei weitere Jahre der Beobachtung in bezug auf das praktische
Wirken der neuen Theorie haben die Überzeugung bei mir nur vertiefen können, daß
dasjenige, was wir getan haben, wohlgetan gewesen ist.“ [ . . . ]


Viertens: Die Frau wird durch ihr Geschlecht selbstverständlich von jeder politischen Aktion ausgeschlossen.

Die Frau hat keinen Anspruch auf politische Rechte, weil sie ein Weib ist. Selbstverständlich, so selbstverständlich wie der Satz 2 x 2 = 4.

Wer sagt das? – Der Mann.

Wie beweist er es? – Es bedarf keines Beweises, weil dieser Begriff eine den Männern von Gott eingeborene Idee ist.

Wer aber auf einem Beweis besteht, dem stellen wir unsere Gefühle entgegen, die die Vorstellung einer politisch emanzipierten Frau mit aller Energie abweisen, und die Stimme des Gefühls ist die Stimme Gottes.

Aber welche Gefühle, worauf sind die Gefühle begründet? –
Auf Vernunft und Gerechtigkeit oder auf Vorurteil und Egoismus? Das zu untersuchen ziemt sich.

Euer Gefühl empört sich. An die Mission des Weibes im Hause glaubt ihr wie an Gott selbst oder noch mehr; der intensivste, feurigste Glaube aber, die höchste moralische Ekstase, wenn sie nicht mit unfehlbaren Gründen bewiesen werden, wie sollen sie für mich Beweiskraft haben? Die Vernunft spottet aller Inbrunst des Glaubens, sie reißt die Gestirne aus ihren Bahnen, die das Vorurteil ihnen vorgezeichnet, sie hat siegreich gekämpft mit Drachen, Riesen und Teufeln, sie stürzt Götter von ihren Thronen. Vor ihrem siegenden Strahl wird auch der uralte Glaube an die Sphäre des Weibes dahinschwinden.

Weil sie ein Weib ist.

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