Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Mehrzahl der Angehörigen der Jahrgänge 1924 und 1925 sich positiv zur Parteiaufnahme stellte. Die Zahl der Jugendlichen, die der Parteiaufnahme gleichgültig gegenüberstehe oder sie ablehne ist jedoch so groß, daß sie nicht übersehen werden darf. [ . . . ]
II. In den Berichten wird immer wieder darauf hingewiesen, daß ein wesentlicher Teil der Gründe für diese Haltung eines Teils der Jugendlichen nicht bei den Jugendlichen selbst läge. Diese Stimmen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Die heute in der HJ stehenden Jugendlichen erleben die Partei bereits als geschichtliche Tatsache. Sie seien an sie nicht mehr durch ein politisches Kampferlebnis gebunden, das ihnen deutlich mache, daß die Partei den heutigen Staat erkämpft und damit das Recht erworben habe, an diesen Staat und seine Menschen Forderungen zu stellen und den weltanschaulichen Führungsanspruch zu erheben. Für viele dieser Jugendlichen sei der Führer nicht Repräsentant der Partei, sondern in erster Linie Führer des Staates und vor allem Oberster Befehlshaber der Wehrmacht. Sie hätten daher keine Hemmungen, auch an die Partei wie an jede andere Einrichtung des Staates kritisch heranzutreten. Der Partei gegenüber fehle ihnen ein organisch gewachsenes Treueverhältnis, aus dem heraus die alten Parteigenossen tätig seien. Diese würden zwar auch Fehler in der Partei erkennen und dennoch in treuer Gefolgschaft zur Partei stehen. Diese Jugendlichen jedoch leiteten aus der Erkenntnis angeblicher Fehler und Mängel das Recht ab, der Partei den Rücken zu kehren.
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3. Die Zurückhaltung gegenüber der Partei finde schließlich weitere Nahrung aus der ungelösten Frage: Partei – Kirche. Da noch ein großer Teil der Jugend und vor allem deren Elternhaus kirchlich gebunden sei, würden Äußerungen gegen einen „ihnen bisher heiligen Glauben“ von Parteigenossen, Hoheitsträgern und HJ-Führern abstoßend wirken. Dies sei z. Zt. besonders deshalb der Fall, weil durch die gegenwärtige Kriegslage auch die Jugend teilweise feststelle, daß sich die Kirche sehr eingehend z. B. um die Angehörigen Gefallener kümmere, auf Fragen des Lebens und der Gegenwart klare Antworten von den Geistlichen zu bekommen seien. Darüber hinaus wirken besonders stark Gerüchte über angeblich positive Äußerungen führender Persönlichkeiten, ausgezeichneter Soldaten usw. zugunsten der Kirche.
Quelle: Heinz Boberach, Hg., Meldungen aus dem Reich. Die geheime Lageberichte des Sicherheitsdienstes des SS 1938-1945. Bd. 14, Herrsching, 1984, S. 5603-07.