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Der württembergische Demokrat Ludwig Pfau zum deutschen Föderalismus (1864/1895)

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Aber all dieser Wirrwarr kommt von der famosen Einmüthigkeit von jener gothaischen Komödiantenpolitik und Großmannssucht, die nur Bajonette zählt und Stimmen sammelt, gleichviel ob die Bajonette für oder gegen das Deutschthum fechten, gleichviel ob die Stimmen für oder gegen die Volksherrschaft eintreten. Deshalb muß vor allem Klarheit in die politische Lage kommen und dies ist nur durch eine rationelle Parteischeidung möglich. Der Nationalverein mag für den Augenblick seine preußische Fahne mehr oder weniger einziehen, das ändert jedoch nicht, daß seine Stifter und Leiter, die Gothaer, Anhänger der Hegemonie, und daß die süddeutschen Demokraten, welche zumeist in rein agitatorischen Absichten beitraten, die Angeführten sind. Wer für Preußen ist, ist nothwendig Centralist, also Reaktionär; wer Demokrat ist, kann nur Föderalist, muß also gegen Preußen sein. Nur eine Gruppirung entspricht vorläufig der Wirklichkeit des staatlichen Verhältnisses von Großmächten und Kleinstaaten, ebensowohl als der Wahrheit des politischen Gegensatzes von Centralisation und Föderation, und zwar die einer preußischen, einer österreichischen und einer mittelstaatlichen Partei. Die Volkspartei ist nothwendig die mittelstaatliche, d. h. die föderalistische; dies muß sie sich vollkommen klar machen und ihre Scheidung von all dem unklaren Parteiwust, je schneller je besser vollziehen. „Preußen ist der größte deutsche Staat, Preußen ist der mächtigste deutsche Staat! Preußische Hegemonie! preußische Annexion! preußische Einheit!“ Dieses sinnlose Geschrei eines rohen politischen Materialismus muß, innerhalb der Volkspartei wenigstens, endlich aufhören. Ja! ihr Tauben und Blinden es giebt ein höheres Recht als das Faustrecht, wonach der Große den Kleinen auffrißt. Als Gleichberechtigte politische Macht müssen wir Preußen gegenüberstehen, wenn wir zu einer ersprießlichen Einheit mit ihm gelangen wollen; denn zu dieser führt nur ein Weg, und der heißt Freiheit. Trachtet vor Allem nach der Freiheit, so wird euch das übrige von selbst zufallen.

Aber wie sollen wir nach der Freiheit trachten, wenn nicht jeder bei sich und im Kampfe mit seinem unmittelbaren Feinde; und wie sollen wir die Einheit erstreben, wenn nicht durch Bewältigung der einzelnen Staatsgewalten, welche den Bund bilden sollen? Also vor allem konstitutioneller Kampf mit den einheimischen Regierungen, um dem Volkswillen Geltung zu verschaffen, Koalition derjenigen Stämme, die den Volkswillen als oberstes Recht anerkennen, und Parlament derjenigen Staaten, wo das Recht Herr geworden; dies ist der einzig praktische Weg den eine nationale Politik einschlagen kann, die nicht nur einheitlich, sondern auch freiheitlich sein und die Deutschen Oesterreichs nicht verrathen will. Denn nur eine solche Entwicklung ist zugleich eine kosmopolitische, welche den Bestand der Nation sichert. Die Völker sind solidarisch; die andern leiden durch unsere Zustände, gerade wie wir durch die ihrigen leiden, und sind, bewußt oder unbewußt, willig oder unwillig, die Bundesgenossen unserer Freiheit. Aber die Freiheit schüttelt man nicht aus dem Aermel wie eine Kaiserkrone, und sie kommt auch nicht für die, welche die Hände in den Schooß legen.

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