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David Hansemann an den preußischen Innenminister Ernst von Bodelschwingh (1. März 1848)

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In Deutschland Mangel jeglichen Vertrauens zur Bundesbehörde, von welcher keine Ausbildung freiheitlicher Institutionen, nicht einmal Schutz landesverfassungsmäßiger Rechte, keine Gewähr deutscher Unabhängigkeit nach außen erwartet wird. Die größte Macht des Bundes, Österreich, geschwächt durch die unverhohlene Neigung der italienischen Untertanen zur Unabhängigkeit, durch die unsichere Treue der polnischen Untertanen und durch die auch in anderen Gebietsteilen herrschende Unzufriedenheit. In den meisten mittleren und kleineren Staaten Deutschlands teils Unzufriedenheit, teils kein rechtes Vertrauen zu den Regierungen. Preußen, nach Österreich der größte der Bundesstaaten, in Verfassungswehen und einstweilen im Besitze einer Verfassung, an welcher nur soviel klar ist, daß ihr oberstes Prinzip die Unbeschränktheit der Macht des Monarchen sein soll; ein großer Teil der protestantischen Bevölkerung in den religiösen Überzeugungen verletzt, so daß tausende zwischen ihrem Gewissen und weltlichen Interessen ins Gedränge geraten; die konstitutionell-monarchische Partei, zu welcher in verschiedenen Nüancen die große Mehrzahl der unabhängigen und urteilsfähigen Bevölkerung gehört, mißliebig, wenn sie aus ihrer Ansicht kein Hehl hat; ein nicht unbedeutender Teil der handarbeitenden Volksklasse in der Rheinprovinz der Regierung nicht sonderlich geneigt; die polnischen Untertanen — wie die Polen in Rußland und Österreich — mit Sehnsucht den günstigen Augenblick zur Wiederherstellung Polens erwartend. Die sämtlichen deutschen Staaten ohne ein festes, einheitliches Band, ohne irgendeine Institution, bei welcher die deutsche Nation vertreten wäre, und wo sie zur Behauptung der Unabhängigkeit den Impuls und die Leitung erwarten könnte.

Rußland, jede politische Verwirrung in Europa erspähend und mit Beharrlichkeit seine weitaussehenden, auch für Preußens und Deutschlands Abhängigkeit und Macht höchst gefährlichen Pläne verfolgend. In den meisten Ländern, auch in den deutschen, während einer mehr als dreißigjährigen Friedenszeit die Unterhaltung großer, kostspieliger Armeen, und eine verhältnismäßig sehr kostspielige Verwaltung; als Folge hiervon hohe Steuern, die besonders die handarbeitenden Volksklassen drücken und nicht wenig dazu beitragen, daß sich unter ihnen mitunter Ansichten über soziale Zustände verbreiten, die völlig unausführbar und für das Bestehen jeder staatlichen Gesellschaft gefährlich sind.

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