GHDI logo

Hans Delbrück über Bismarcks Erbe (April 1890)

Seite 2 von 5    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


persönlichen Kriegsgelüste unseres Kaisers. Von jener Rede des Prinzen Wilhelm an (8. Februar 1888), in der er sich gegen solchen 'verbrecherischen Leichtsinn' verwahrte, bis zu den Februar-Erlassen dieses Jahres, die mit unangreifbarer Logik die Gewißheit gaben, daß dieser Herrscher gesonnen sei, seine Größe, so viel an ihm liege, in Werken des Friedens zu suchen, hat der Kaiser daran gearbeitet, den Nebel jenes Vorurteils zu zerteilen, um ihn endlich durch die warmen Sonnenstrahlen neuer Gedanken der allgemeinen Wohlfahrt und der Bekämpfung des menschlichen Elends völlig zu verscheuchen. Jeder Schatten eines Vorwands, daß Deutschland oder der Dreibund sich mit Angriffsgedanken trage, denen man zuvorkommen müsse, ist nunmehr geschwunden. Aber wir wissen, daß das immer nur Vorwand gewesen wäre. Der wahre Grund der Kriegsgefahr ist allein der panslawistische Fanatismus drüben, der chauvinistische Revanchegedanken hüben. Macht, nur Macht ist imstande, diese Dämonen zu bändigen. Fürst Bismarck ist es, der uns diese Macht geschaffen hat im Dreibund; er ist es, der uns diese Macht geschaffen hat auch in der eigenen Hand.

Hier ist der Punkt, wo die auswärtige Politik in die innere übergeht. Bismarck hat es fertig gebracht, dem deutschen Volk die Notwendigkeit der schwersten Rüstungen begreiflich zu machen, ohne damit die Nachbarn, gegen die sie gerichtet sind, zu provozieren: im Gegenteil, er hat es fertig gebracht, jene wunderbare Rede vom 6. Februar 1888, in der er diese Rüstungen begründete, gleichzeitig zu einer Friedenskundgebung und Friedensbürgschaft zu gestalten. Von dieser Rede und der Publikation der Bündnisverträge an datiert die langsame und allmählich immer stärkere Abebbung der Kriegsbesorgnisse.

Die Mittel für die Kriegsrüstungen wurden in den Jahren 1888 und 1889 so gut wie einstimmig vom Reichstag bewilligt. In jenem Augenblick sah man darin einen Reflex der auswärtigen Gefahr, welche auch die Oppositionsparteien zur Zustimmung nötigte. Mehr und mehr zeigt sich, daß diese Einstimmigkeit viel mehr war: daß sie den endgültigen Verzicht auf die prinzipielle Armee-Opposition einleitete. Noch ist zwar die praktische Probe nicht gemacht worden, aber in den politischen Kreisen ist kaum noch ein Zweifel vorhanden, daß selbst die deutschfreisinnige Partei, sobald sie vor die ernstliche Verantwortung gestellt wird, in der Armeefrage kaum einen anderen Standpunkt einnehmen wird, als die Kartell-Parteien. Man wird weiter streiten über einzelne Kasernenbauten und Futterrationen, Offizierburschen und Festungs-Kommandanturen, über das Garde-du-Corps-Regiment und Dienstwohnungen, man wird aber weder die Grundlagen der bestehenden Armee-Verfassung anzutasten, noch wesentliche Neuforderungen, die die Regierung stellt, abzulehnen wagen. Grade je größer diese Forderungen sind, desto weniger werden sie abgelehnt werden. Wessen Verdienst ist diese radikale Umwandlung unseres Parteilebens? Es ist das Verdienst des Fürsten Bismarck, denn es ist die dauernde Nachwirkung der Septennatswahlen. Niemals, soweit Menschen voraussehen können, wird es die Opposition wieder darauf ankommen lassen, auf eine Armeefrage hin aufgelöst zu werden. Alles Grollen und Murren gegen den Militarismus in der deutschfreisinnigen Presse ist nichts als ein Rückzugsgefecht. Auch die Nationalliberalen haben mehr als ein Jahrzehnt gebraucht, ehe sie sich von ihren militärischen Vorstellungen und Schlagworten der Konfliktszeit völlig befreiten. So wird auch die deutschfreisinnige Partei noch lange 'prinzipiell' an ihrem Standpunkt

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite