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X. Literatur, Kunst und Musik
Druckfassung

Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

Kultur wurde als etwas sehr Deutsches angesehen. Tatsächlich glaubte Hitler, eines der charakteristischen Merkmale der deutschen Rasse sei ihre enorme kreative Begabung. Ein Teil des Antriebs für das umfangreiche Engagement des Regimes in Kunst und Literatur kam von Individuen wie Hitler, Goebbels und Alfred Rosenberg (1893-1946), die allesamt in ihrer Jugend künstlerische und kulturelle Ambitionen gehabt hatten. Ein weiterer motivierender Faktor lag jedoch in der von vielen konservativen Deutschen geteilten Überzeugung, modernistische und „dekadente“ kulturelle Strömungen während der Weimarer Republik – die von expressionistischer Kunst bis zu Jazz reichten – hätten in Deutschland zu Ausschweifung und Schwäche beigetragen. Sie argumentierten, die Kultur beeinflusse das Verhalten, und nur eine ordentlich geregelte NS-Kultur, die Rasse und kriegerische Werte glorifiziere, könne die glorreiche Zukunft des Dritten Reiches stützen. Und da die Rasse das Verhalten bestimme, versuchten die Nazis, „dekadente“ Kultur als das Werk rassisch Minderwertiger oder Degenerierter zu deklarieren, oder als Teil der jüdischen Verschwörung gegen Deutschland.

Diejenigen Schriftsteller, Künstler und anderen Kulturschaffenden, deren Abstammung und bisherige politische Einstellung nicht beanstandet wurden, mussten sich entscheiden, ob sie im Rahmen der Übernahme der deutschen Kultur durch die Nazis kooperieren oder diese sogar fördern sollten. Der Dirigent Wilhelm Furtwängler (1886-1954) unterstützte die frühe Zensur jüdischer Künstler nicht vorbehaltlos und appellierte an den Minister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels, die bisherigen hohen kulturellen Standards zu wahren. Goebbels wehrte seine Kritik jedoch ab. Furtwängler bereitete keine weiteren Schwierigkeiten und hatte eine äußerst erfolgreiche Karriere während des NS-Regimes.

Goebbels erschien persönlich zu der von Studenten organisierten Bücherverbrennung „undeutscher“ Literatur am 10. Mai 1933 in Berlin. Louis P. Locher, der damalige Leiter des Berliner Büros der Associated Press, berichtete in einem Ton über das Ereignis, der den Fanatismus und die Barbarei der NS-Bewegung vermittelte. Im September 1933 wurde auf Betreiben Goebbels‘ hin ein Gesetz verabschiedet, das eine Reichskulturkammer mit Fachkammern für die verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen einrichtete: Literatur, Presse, Radio, Film, Theater, Musik und bildende Künste. Da das Recht zur Berufsausübung an die Mitgliedschaft in der jeweiligen Kammer gebunden war, gab das Gesetz der Regierung (und Goebbels) die Macht, jeden mit Berufsverbot zu belegen, dessen politische Ansichten, Abstammung oder künstlerischer Stil für anstößig gehalten wurden. Das Handbuch der Reichskulturkammer (1937) bietet einen Einblick in die Funktionsweise dieser berufsständischen Körperschaften (38).



(38) Eine detaillierte Abhandlung bietet Alan Steinweis, Art, Ideology, and Economics: The Reich Chambers of Music, Theatre and the Visual Arts. Chapel Hill: North Carolina, 1996.

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