Die treibende Kraft des Wandels im wilhelminischen Deutschland war die Veränderung der materiellen Verhältnisse, unter denen die Deutschen lebten und arbeiteten. Die Quellen im betreffenden Teil des Bandes legen von diesem Umbruch ein eindrucksvolles Zeugnis ab. Die Gesamtzahl der deutschen Bevölkerung schnellte im Laufe einer Generation sprunghaft in die Höhe, wobei die städtischen Regionen die größte Zunahme verzeichneten (Dok. 1, 2, 3). Eine außerordentliche Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion machte sowohl dieses Wachstum als auch eine demographische Umverteilung möglich (Dok. 4, 5, 6). Weniger als ein Drittel der deutschen Bevölkerung arbeitete 1913 noch hauptberuflich in der Landwirtschaft, während der Rest in den „sekundären“ und tertiären Sektoren beschäftigt war, also in der Industrie und im Dienstleistungsbereich. Das Wachstum der Städte war zugleich Bedingung und Ergebnis der gewaltigen industriellen Expansion des Landes, die auf die bahnbrechenden technologischen Fortschritte in der Stahlverarbeitung und der chemischen Industrie gefolgt war (Dok. 7, 8, 9, 10). In diesen Schlüsselsektoren der Produktion, deren Entwicklung eng mit der „zweiten“ industriellen Revolution zusammenhing, waren bedeutende Teile der deutschen Industrie in Großkonzernen organisiert, welche ein enormes Aufgebot an Kapital und Arbeitskräften bündelten. Deutschland lief Großbritannien schließlich den Rang als erste Industriemacht Europas ab. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts umfassten die Produkte der deutschen Industrie Konsumgüter – von Automobilen und elektrischen Kleingeräten bis hin zu Aspirin – die zu alltäglichen Gebrauchsgegenständen des modernen Lebens geworden sind (Dok. 11, 12, 13).
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