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In der Ausstellungshalle eines Stahlwerkes (1902)

Die Stahlverarbeitung war eine der wichtigsten Triebfedern des Wirtschaftswachstums im Wilhelminischen Deutschland. Firmen wie Krupp mit Sitz in Essen beherrschten ganze Industriezweige und gewannen Einfluss auf politische Entscheidungen, weil ihre Erzeugnisse eng mit militärtechnischen Entwicklungen verknüpft waren. Die deutschen Forderungen nach einem größeren Mitspracherecht in der internationalen Politik stützten sich entscheidend auf das industrielle Leistungsvermögen und die hohen technischen Standards des Landes. Diese enorme Wirtschaftskraft ließ sich unmittelbar in der Politik geltend machen, denn sie signalisierte greifbare militärische Handlungsfähigkeit.

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Unter den Gebäuden der Düsseldorfer Ausstellung fällt dem Besucher eine an der Hauptallee gelegene, dreischiffige, von einem spitzen Turm überragte Halle besonders in die Augen: der Ausstellungsraum des Bochumer Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrikation! Betritt man das Innere dieses machtvollen Gebäudes, so bietet sich dem Blick im Mittelschiff zunächst eine Schiffswellenleitung aus geschmiedetem Stahl dar. Sie ist bestimmt für das italienische Kriegsschiff „Regina Margherita", mißt 50 m in der Länge und besteht aus vier Stück einfach gekröpften Kurbelachsen, einer Druckwelle und einer Schraubenwelle. Letztere ist 32 m lang und aus einem Stück geschmiedet. Das Gesamtgewicht dieser Welle beträgt 86 000 kg. Alle Wellen sind hohlgebohrt; der aus der Schraubenwelle angebohrte Kern ist unter der Wellenleitung gelagert. Die von der Welle auf die Schraube zu übertragende Maschinenleistung entspricht 10 000 PS. Der ausgebohrte Kern zeigt eine vorzügliche Beschaffenheit des Innern.

Ein anderes Monstrum ist ein ausgestellter Hintersteven für einen Doppelschraubenschnelldampfer. Man glaubt den fossilen Resten eines vorsintflutlichen Riesentiers gegenüberzustehen. Dieser mächtige Koloß ist ein Zeugnis für die heutige Leistungsfähigkeit auf dem Gebiete des Stahlgusses. Mit Rücksicht auf den Transport mußte dieser 15 m hohe und 87 000 kg schwere Steven aus mehreren Stücken zusammengesetzt werden.

Außerdem führt der Bochumer Verein Schiffswellen und schwere Schmiedestücke vor, wie sie von ihm in großer Anzahl für die deutsche Marine und Handelsflotte sowie für ausländische Handels- und Kriegsschiffe geliefert werden. Von den sonstigen Erzeugnissen für den Schiffsbau sind große Schmiedestücke für Kurbelwellen und für Schiffsmaschinen vorhanden.

Eine Spezialität des Bochumer Vereins bildet die Erzeugung von Eisenbahnschienen aus saurem Bessemer-Stahl, einem Material, das außer dem Verein nur wenige Werke, darunter die Firma Krupp in Essen, verwenden. Dieses Materials bedient sich auch die dem Bochumer Verein inkorporierte „Gesellschaft für Stahlindustrie" zur Herstellung ihrer Eisenbahnschienen, hauptsächlich der Straßenbahn-Rillenschienen. Unter den ausgestellten Gegenständen dieser Art sind mehrere neue Stoßverbindungen von Interesse. Sie sind dazu geschaffen, die Stöße zu mildern, welche das Überfahren der Schienen an ihren Enden verursacht. Eine halbkreisförmige Anordnung von geschliffenen und vernickelten Walzprofilen in den verschiedensten Abmessungen und Arten zeigt nicht nur einen großen Reichtum an Profilen, sondern auch die größte Sorgfalt in der Ausführung. Die verschiedenen Eisenbahnbedarfsartikel des Bochumer Vereins, wie Schienen, Laschen, Schwellen, Unterlagsplatten sind in Form hoher Pylone aufgebaut, ferner sind Herzstücke und Kreuzungsstücke für Weichen, teils gegossen, teils mit geschmiedeter Spitze, in Gruppen ausgestellt.

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