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Bilder - Die Herausforderungen der Globalisierung

Die unerwartete Rezession von 1992/93 vertrieb die Vereinigungseuphorie und zwang die CDU/FDP-Regierungskoalition, auf die Herausforderungen der Globalisierung zu reagieren. Als Ökonomen auf den Rückgang deutscher Wettbewerbsfähigkeit hinwiesen, begann Bundeskanzler Kohl als Voraussetzung für die Senkung der Massenarbeitslosigkeit strukturelle Veränderungen zu fordern, die den Geist des individuellen Unternehmertums wiederherstellen würden. Aufgrund des Drucks von Unternehmerschaft und Medien verabschiedete die Christlich-Demokratische Union 1994 ein neoliberales Parteiprogramm, das Markt und Wettbewerb stärken sollte, um Deutschland wirtschaftlich wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Um Wirtschaft und Bevölkerung zu stimulieren, rief Bundespräsident Roman Herzog in einer aufrüttelnden „Berliner Rede“ 1997 zu einer „inneren Erneuerung“ auf, die das Selbstbewusstsein wiederherstellen und lange aufgeschobene Probleme mit gesteigerter Energie in Angriff nehmen sollte. Von dem vielfältigen „Reformstau“ frustriert, warnte Publizist Arnulf Baring vor einem Scheitern Deutschlands, wenn es seine weitverbreitete Lethargie nicht überwinde.

Trotz der wachsenden Zahl der Stimmen, die nach strukturellen Reformen riefen, erwiesen sich die Überwindung der politischen Blockade und die Durchsetzung von Reformen als äußerst schwierig. Schon die bescheidenen Kürzungen des Sozialstaats, die das Regierungsprogramm „Wachstum und Arbeit“ vorsah, lösten erhitzte Proteste von Seiten des DGB aus, der vorschlug, die Arbeitslosigkeit mit Arbeitszeitverkürzung zu bekämpfen und das dadurch erreichte Mehr an Arbeitsplätzen zu verteilen. Der Vorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, verfolgte die selbe Strategie, warnte vor der Globalisierung, welche den Sozialstaat aushöhlen würde, und verlangte die Bekämpfung der negativen Auswirkungen der Globalisierung durch mehr internationale Kooperation bei der Schaffung einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Gegen eine solche schrille Kritik verteidigte der Vorsitzende von DaimlerChrysler Jürgen Schrempp die Chancen der Globalisierung für den weltweiten Wohlstand. Moderate Sozialdemokraten wie Bundespräsident Johannes Rau suchten nach einem Mittelweg, der die positiven Effekte der Globalisierung begrüßte, seine destruktiven Folgen jedoch bekämpfte.

Die rot-grüne Koalition, die 1998 die Regierung übernahm, verfolgte deshalb ein einigermaßen widersprüchliches Programm, das den Sozialstaat reformieren und die Ökonomie modernisieren wollte. In dem Versuch, beide Impulse zu verbinden, drängte der grüne Umweltminister Jürgen Trittin auf ökologische Modernisierung, von der er sich die Schaffung von Arbeitsplätzen erwartete. Gleichzeitig steuerte die Mehrheit der Sozialdemokraten auf mehr Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsklimas zu, wie etwa eine erhebliche Senkung der Einkommenssteuer. In ähnlicher Weise entschied sich die Regierung für ein privates Rentenprogramm, die sogenannte „Riester-Rente“.

Als die Wirtschaft 2001/2 erneut in eine Rezession schlitterte, wurde klar, dass geringfügige Anpassungen des Sozialstaates nicht ausreichten, um das einstige Wachstum wiederherzustellen, sondern dass vielmehr drastischere Änderungen notwendig waren. In Übereinstimmung mit der Unternehmerschaft forderte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung deshalb mit seinem 20-Punkte-Programm für Beschäftigung und Wachstum weitere Reformen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte den Mut, sich den Wünschen vieler Mitglieder seiner eigenen Partei zu widersetzen und ein „Agenda 2010“ genanntes Reformprogramm in die Wege zu leiten, das die strukturelle Arbeitslosigkeit durch zusätzliche Kürzungen der Sozialleistungen senken und die Wettbewerbsfähigkeit durch eine Reduzierung der hohen Sozialabgaben und der Bürokratie erhöhen wollte. Als Folge einer unerwarteten, durch übertriebene Verlustängste geschürten Protestwelle traten die Reformbefürworter den Rückzug an, und die extreme Linke aus ostdeutschen Postkommunisten und westdeutschen Radikalen legte bei Meinungsumfragen zu.

Der neue Rekord von über fünf Millionen Arbeitslosen im Winter 2005 unterminierte die öffentliche Unterstützung für die neoliberalen Reformen der Koalition von SPD und Grünen. Obwohl ihre Zahl durch die Einbeziehung einer halben Million früherer Sozialhilfebezieher, die jetzt als Arbeitslose gezählt wurden, übertrieben war, ließ der drastische Anstieg Schröders Popularität abstürzen und zerstörte die Unterstützung des linken Flügels seiner eigenen Partei, der mit seiner Priorität für die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit nicht einverstanden war. Da die Wahl im Herbst 2005 zu einem Patt zwischen den beiden großen Parteien führte, verabschiedete sich die neue Kanzlerin Angela Merkel von der schrillen neoliberalen Rhetorik ihrer Wahlkampagne und entschied sich stattdessen für eine Politik der kleinen Schritte. Anfänglich nahm die Große Koalition einige notwendige Veränderungen in Angriff wie z.B. die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19% und die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre. Ihr Reformeifer nahm jedoch wegen der Unbeliebtheit einiger dieser Maßnahmen sowie wegen der einsetzenden Weltwirtschaftskrise schon bald ab.

Da die deutsche Bevölkerung sich für die Finanzkrise nicht verantwortlich fühlte, reagierte das Kabinett Merkels nur langsam auf die Situation. Nachdem deutlich wurde, dass einige deutsche Finanzinstitute Verluste in Millionenhöhe gemacht hatten, verabschiedete das Kabinett ein beträchtliches Rettungspaket in Höhe von 470 Milliarden Euro, um den Finanzsektor zu stabilisieren. Die Wirtschaftsjournalisten erkannten die Notwendigkeit der Regierungsintervention nur widerstrebend an, da die Kreditbürgschaft zusätzliche Schulden bedeutete, welche letztlich der Steuerzahler tragen muss. Durch moderate Lohnvereinbarungen und Rationalisierungsmaßnahmen gelang es Einzelunternehmen, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts schrittweise ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen, und Deutschland blieb auch weiterhin im internationalen Export führend. Die Erholung der Wirtschaft sowie die Unterstützung des Kurzarbeitergeldes seitens der Regierung trugen dazu bei, die Arbeitslosenquote in einer Zeit zu senken, in der sie in den USA drastisch anstieg.

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