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Die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche (um 1848)

Die von allen „unabhängigen” erwachsenen Männern gewählte deutsche Nationalversammlung (auch Frankfurter Nationalversammlung) war das erste gesamtdeutsche Parlament. Es trat erstmals am 18. Mai 1848 in Frankfurt am Main zusammen. Die hier abgebildete Lithografie zeigt die Parlamentarier während einer Sitzungspause. Über die Vermittlung der allgemeinen Atmosphäre in der Kammer hinaus gewährt das Bild einen kurzen Einblick in die Tätigkeit der Abgeordneten. Hier ist zu beobachten, wie sie sich beraten, Gesetzentwürfe prüfen, Redetexte überarbeiten und Gespräche untereinander und mit den Besuchern führen – in diesem Fall unter anderem mit einigen prominenten Frauen, die der Künstler kurzerhand in die (näher gelegene) Männerloge rechts vom Podium platziert hat, um sie dem Beobachter im Porträt präsentieren zu können.

Der ganz oben auf dem Podium stehende und die Präsidentenglocke ergreifende Liberale Heinrich von Gagern (1799-1880) nimmt in der Szene die zentrale Stellung ein. Als ausgebildeter Jurist und ehemaliger Verwaltungsbeamter in Hessen stand er auch stellvertretend für die Mitgliederstruktur des Parlaments. Im Gegensatz zur weitverbreiteten zeitgenössischen Auffassung war das Parlament nicht lediglich ein Debattierclub für Professoren. Tatsächlich waren von den insgesamt 812 Abgeordneten nur 124 Lehrer und Professoren, während die Juristen in Form von anderen Beamten (173 Verwaltungsbeamten, 110 Richter und Staatsanwälte) sowie Mitgliedern der freien Berufe (106 Rechtsanwälte) überwogen. Bauern (3) und Handwerker (4) waren dagegen deutlich unterrepräsentiert; von der Arbeiterschaft oder den Unterschichten im Allgemeinen waren keine Abgeordneten vertreten.

Wenngleich das Diskutieren als Merkmal demokratischer Kultur geschätzt wurde, kritisierten doch Zeitgenossen die Nationalversammlung wegen ihres Schwelgens in weitschweifigen und langatmigen, aber fruchtlosen Debatten. Im Rückblick zumindest wurde derartige Kritik in gewissem Maße jedoch zerstreut durch Leistungen wie die Schaffung einer deutschen Regierung bis zum Juni 1848 sowie die Ausarbeitung und Verabschiedung des bedeutsamen Grundrechtskatalogs bis Dezember desselben Jahres. Dennoch arbeitete die Zeit gegen den parlamentarischen Gedanken; die Kräfte der Gegenrevolution formierten sich neu und bedienten sich ihrer Staatsmacht, um die demokratischen Fortschritte zurückzufahren. Lithografie von Eduard Meyer nach einer Zeichnung von Paul Bürde (1819-1874), o. J.

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Die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche (um 1848)

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