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Die Interpretation der Friedensresolution durch Kanzler Michaelis vom 19. Juli 1917

Die unmittelbar bevorstehende Verabschiedung der Friedensresolution stellte für die militärische Führung ein schmerzliches Zeichen für das Scheitern Reichkanzler Theobald von Bethmann Hollwegs (1856-1921) dar. Dem Kaiser blieb keine Wahl, als Bethmann mit einem Ludendorff genehmeren Kandidaten zu ersetzen. Er entschied sich für Georg Michaelis, einen preußischen Bürokraten, der wie Ludendorff wenig Sympathien für die Mehrheitsparteien im Reichstag hegte. Die Antwort des neuen Kanzlers auf die Friedensresolution war absichtlich vage, hochmütig und unnachgiebig gehalten. Er würde, so erklärte Michaelis, die Resolution unterstützen, „wie ich sie auffasse“, was bedeutete, dass er nach wie vor einen Siegfrieden verfechten würde.

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Berlin, 19. Juli 1917

Ich komme hiermit zu dem, was im Mittelpunkte des Interesses unser aller steht, zu dem Kernpunkt der heutigen Verhandlungen. Deutschland hat den Krieg nicht gewollt. Es strebte nicht nach Eroberungen, nicht nach gewaltsamer Vergrößerung seiner Macht – darum wird Deutschland auch nicht einen Tag länger Krieg führen, wenn ein ehrenvoller Frieden zu haben ist, bloß darum, um gewaltsame Eroberungen zu machen. (Lebhaftes Bravo im Zentrum, bei der Fortschrittlichen Volkspartei und den Sozialdemokraten.) Das, was wir wollen, ist in erster Linie, daß wir Frieden als solche machen, die sich erfolgreich durchgesetzt haben. Die jetzige Generation und die kommenden Geschlechter sollen diese Kriegsprüfungszeit als eine leuchtende Zeit des Sieges, der unerhörten Tatkraft und Opferfreudigkeit unseres Volkes und unserer Heere im Gedächtnis behalten für die Jahrhunderte. Ein Volk von noch nicht 70 Millionen, das sich Seite an Seite mit treuen Verbündeten gegen eine vielfache Überlegenheit von Völkermassen mit der Waffe in der Hand vor den Grenzen seines Landes behauptet, hat sich als unüberwindlich erwiesen. (Bravo!) Hieraus ergeben sich für mich die Ziele. In erster Linie ist das Gebiet des Vaterlandes unantastbar. Mit einem Gegner, der uns mit der Forderung entgegentritt, uns Reichsgebiet zu nehmen, können wir nicht verhandeln. Wenn wir Frieden machen, dann müssen wir in erster Linie erreichen, daß die Grenzen des Deutschen Reichs für alle Zeit sichergestellt sind. (Lebhaftes Bravo rechts.) Wir müssen im Wege der Verständigung (Bravo! im Zentrum, bei der Fortschrittlichen Volkspartei und den Sozialdemokraten) und des Ausgleichs (erneutes Bravo im Zentrum, bei der Fortschrittlichen Volkspartei und den Sozialdemokraten) die Lebensbedingungen des Deutschen Reichs auf dem Kontinent und über See garantieren. (Lebhaftes Bravo.) Der Friede muß die Grundlage für eine dauernde Versöhnung der Völker bieten. (Lebhaftes Bravo im Zentrum, bei der Fortschrittlichen Volkspartei und den Sozialdemokraten.) Er muß, wie dies in Ihrer Resolution ausgesprochen ist, der weiteren Verfeindung der Völker durch wirtschaftliche Absperrung vorbeugen (Sehr gut!) Er muß davor sichern, daß sich der Waffenbund unserer Gegner zu einem wirtschaftlichen Trutzbund gegen uns auswächst. (Sehr gut! im Zentrum, bei der Fortschrittlichen Volkspartei und den Sozialdemokraten.) Diese Ziele lassen sich im Rahmen Ihrer Resolution, wie ich sie auffasse, erreichen. (Bravo! und Sehr gut! im Zentrum, bei der Fortschrittlichen Volkspartei und den Sozialdemokraten.) Wir können den Frieden nicht nochmals anbieten. (Sehr richtig! rechts.) Die ehrlich ausgestreckte Hand hat einmal ins Leere gegriffen. (Sehr richtig! rechts.) Aber mit dem gesamten Volk und der deutschen Armee und ihren Führern, die mit dieser Erklärung einverstanden sind, (hört! hört! – Bravo! im Zentrum, links und bei den Sozialdemokraten) ist die Regierung sich dessen bewußt. Wenn die Feinde ihrerseits von ihren Eroberungsgelüsten, ihren Niederwerfungszielen ablassen und in Verhandlungen einzugehen wünschen, werden wir ehrlich und friedensbereit hören, was sie uns zu sagen haben. (Bravo! links.) Bis dahin müssen wir ruhig und geduldig und mutig ausharren.



Quelle: Erklärung Michaelis’ zur Friedensresolution im Reichstag, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, XIII LP, II Sess., Bd. 310, S. 3571-72.

Abgedruckt in Wolfdieter Bihl, Deutsche Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991, S. 297-98.

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