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Die 3. Oberste Heeresleitung und die deutschen Kriegsziele (11. Mai 1918)

Während der beiden letzten Kriegsjahre brachten die Debatten um Kriegsziele und politische Reformen einen Kompromissfrieden mit dem Ende eines halbautoritären Verfassungssystems in Verbindung. Zumindest in den Augen seiner Regierungsspitzen war Deutschland in den Krieg eingetreten und hatte ihn durchgeführt, um die alte Ordnung zu bewahren, die nun von Innen angegriffen wurde. Die Entscheidung, einen Kompromissfrieden anzustreben, lag also bei der deutschen Führung, den Vertretern jener Klassen, deren Macht und Privilegien bei einem Kompromiss geopfert – doch im Falle eines Sieges bestätigt würden. Die militärischen Siege im Süden und im Osten hatten der deutschen Stimmung zum Jahresende 1917 Auftrieb gegeben und erhöhten die Aussichten auf ein triumphales Kriegsende 1918. Die Siege im Osten schienen eine Gelegenheit zu bieten, im Westen vor der Ende 1918 erwarteten Ankunft der Amerikaner den Sieg zu erringen. Hier diskutieren die Mitglieder der Obersten Heeresleitung die prekäre Lage der Mittelmächte im Mai 1918, als die Ludendorff-Offensive ihren Zweck verfehlt hatte, das Blatt an der Westfront zu wenden.

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[Spa, 11. Mai 1918]

Der Herr Reichskanzler leitet die Besprechung ein, indem er darlegt, daß die bevorstehende Begegnung der beiden Monarchen in Spa dazu ausgenutzt werden müsse, die Grundlagen für eine Erneuerung des Bündnisses mit Österreich-Ungarn festzulegen. Er verliest den Entwurf für eine zwischen den beiden Monarchen zu schließende Vereinbarung und führt dazu aus, es erscheine ihm zweckmäßig, das politische Bündnis an die Spitze zu stellen.

General Ludendorff stimmt dem zu.

Staatssekretär von Kühlmann meint, man müsse sich gleich über die Frage der Dauer dieses Bündnisses einigen. Ihm erschienen 20 Jahre als der geeignete Zeitraum. Die Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn erstreckten sich auch gewöhnlich auf 20 Jahre. Einen kürzeren Zeitraum könne er nicht empfehlen, da es darauf ankomme, dem Inlande wie dem Auslande gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß Österreich-Ungarn gewillt und gezwungen sei, an Deutschlands Seite zu bleiben. Ein kürzerer Zeitraum als 15 Jahre käme wohl nicht in Frage mit Rücksicht darauf, daß ein Wirtschaftsbund nicht für geringere Zeitspanne als 15 Jahre in Aussicht genommen werden könne.

General Ludendorff meint, 20 Jahre seien wohl noch zu kurz.

Staatssekretär von Kühlmann ist auch mit einer längeren Zeitdauer einverstanden und fügt hinzu, daß das Verhältnis zwischen beiden Reichen im übrigen auf Kündigung gestellt werden müsse.

Botschafter Graf Wedel bemerkt, daß Graf Czernin 30 Jahre für das Bündnis ins Auge gefaßt gehabt habe, während Kaiser Karl sich einmal für eine Dauer von 25 Jahren ausgesprochen habe.

Der Herr Reichskanzler stellt fest, daß über diese Frage im allgemeinen eine Einigung erzielt sei, und daß die endgültige Festsetzung der Dauer des Bündnisses wohl den Ministerbesprechungen vorbehalten bleiben könne.

Hierauf gelangt die Frage des „Waffenbundes" zur Besprechung.

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