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Die Mehrheitsparteien verlangen die Parlamentarisierung der Reichsleitung (Oktober 1917)

Im Gefolge der trotzigen Friedensresolution vom Juli 1917 gewannen die neu verbündeten Parteien der Katholiken, Fortschrittler und Mehrheitssozialisten an Stärke. Dieser neuen Mehrheit traten auch die Nationalliberalen bei, um einen gemeinsamen Ausschuss zu etablieren und so regelmäßige Beratungen ihrer Parteiführer zu erleichtern. Im Oktober widersetzte sich die parlamentarische Mehrheit der Regierung mit einer weiteren Resolution, die nun demokratische Reformen und eine parlamentarische Reichsleitung forderte. Ihre Verabschiedung überzeugte die Oberste Heeresleitung, auch Bethmann Hollwegs Nachfolger, Georg Michaelis (1856-1936), abzusetzen, der seinerseits das Parlament ebenfalls nicht besser unter Kontrolle zu haben schien.

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Nach Rücksprache von Vertretern verschiedener Parteien des Reichstags mit dem Herrn Reichskanzler über die gesamte äußere und innere Lage sind wir gemeinschaftlich zu folgender Auffassung gelangt:

Sollte Seine Majestät der Kaiser zu dem Entschlusse kommen, einen Kanzlerwechsel eintreten zu lassen, so dient es dem höchsten Staatsinteresse, für ruhige innerpolitische Entwicklung bis Kriegsende volle Gewähr zu schaffen. Nur hierdurch kann diejenige Geschlossenheit hergestellt werden, deren das Volk in Waffen und in der Heimat dringend bedarf.

Der Weg zu diesem Ziel ist eine vertrauensvolle Verständigung über die äußere und innere Politik des Reiches bis zum Kriegsende. Die innerpolitischen Schwierigkeiten der letzten Monate sind auf den Mangel einer solchen Verständigung zurückzuführen.

Seine Majestät den Kaiser bitten wir daher, vor der von ihm zu treffenden Entschließung die zur Leitung der Reichsgeschäfte in Aussicht genommene Persönlichkeit zu beauftragen, sich mit dem Reichstag zu besprechen.



Quelle: „Erklärung der Mehrheitsparteien des Reichstags über die notwendige Parlamentarisierung der Reichsleitung, dem Chef des Zivilkabinetts v. Valentini übergeben am 22. Oktober 1917“, in Karl Helfferich, Der Weltkrieg. Berlin, 1919, S. 505.

Abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. 2 Bände. Stuttgart: Kohlhammer Verlag, 1961, Band 2, S. 475.

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