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Die Forderung nach einem moderaten Frieden (4. Dezember 1917)

Die Vaterlandspartei rief rasch die Gründung einer Gegenorganisation hervor, des „Volksbundes für Freiheit und Vaterland“, der sich innenpolitische Reformen und moderatere Kriegszielen zu eigen machte. Mit einer Mitgliederzahl, die es mit derjenigen der Vaterlandspartei aufnahm, dokumentierte diese Organisation die Polarisierung der öffentlichen Meinung als eines der bedeutendsten Merkmale der deutschen Politik im letzten Kriegsjahr.

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Ein starkes und freies Reich, in dem unsere Kinder sicher wohnen sollen, ist uns in mannigfachen Kundgebungen der Regierung als unsere deutsche Zukunft bezeichnet worden. Nur diese Losung vermag unser Volk wahrhaft zu einigen. Äußere und innere Freiheit, äußere und innere Kraft hängen zusammen. Nur ein Volk, in dem für die freie und verantwortungsfreudige Mitarbeit aller Schichten und Stände am Staatswesen Raum geschaffen wird, ist machtvoll nach außen. Innerer Neuaufbau und äußere Kraftentfaltung der Nationen sind nicht zu trennen. Das erkennen alle, welche die Neuordnung verschieben zu dürfen glauben, statt sie unmittelbar und lebendig aus dem Kriege selbst geboren werden zu lassen, wie dereinst auch unser Reich mitten im Kriege geboren wurde.

Der vierte Kriegswinter heischt diese Forderungen lauter als je. Gebieterischer als jemals verlangt er den inneren Zusammenschluß der Nation. Vor allem rechnen wir dazu: klare Einheit zwischen Reichsregierung und Volksvertretung. Im einzelnen bedürfen wir

1. angesichts des heute noch nicht gebrochenen Vernichtungswillens unserer Feinde einer äußersten Zusammenfassung unserer Kräfte, bis jener Vernichtungswille gebrochen ist;

2. der sofortigen innerpolitischen Neuordnung, eines freiheitlichen Ausbaus unserer staatlichen Einrichtungen durch gemeinsame Arbeit aller Volkskreise, um so die Kraft des Volkes zu stärken, die Festigkeit zu steigern, einer reformwilligen Regierung die Stütze eines festen Volkswillens zu geben und die notwendigen Folgerungen aus dem Wesen des modernen Staates zu ziehen, die heute jede Nation im Zusammenhang ihrer Entwicklung ziehen muß;

3. einer klaren, von Volk und Regierung getragenen Außenpolitik, die einen Frieden erstrebt, Rohstoffbezug und Handelsabsatz sichert und Dasein, Ehre und Entwicklungsfreiheit der Völker auf den Boden der Sittlichkeit und des Rechts stellt.



Quelle: „Programm des Volksbundes für Freiheit und Vaterland vom 4. Dezember 1917“, in Paul Umbreit, Die deutschen Gewerkschaften im Kriege. Stuttgart, Berlin, Leipzig, 1928, S. 1889-90.

Abgedruckt in Herbert Michaelis und Ernst Schraepler, Hg., Ursachen und Folgen: vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart; eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. 29 Bde. Berlin: Dokumenten-Verlag, 1959-1979, Bd. 2, S. 50-51.

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