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Engelbert Krebs, „Vom Opfersinn” (1914-1915)

Engelbert Krebs (1881-1950) war ein katholischer Theologe, der diese Predigt während des Krieges schrieb. Protestanten und Katholiken schlossen sich gleichermaßen einer „Kriegstheologie“ an. Sie lieferte eine einflussreiche Darstellung des Krieges, den sie vor allem im Zeichen der göttlichen Vorsehung und des deutschen Schicksals beschrieb. Als religiöse und ideologische Rechtfertigung pries Krebs die Unterordnung des Einzelnen unter das Gemeinwohl der deutschen Nation. Aufgrund seiner scharfen Kritik am Antisemitismus, wurde ihm schließlich von den Nationalsozialisten die Universitätsstelle entzogen.

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Ja, wir lebten im Zeitalter des „Sichauslebens". Da kam der Krieg! Und mit furchtbarem Ernste zog er uns alle hinein in die Schule des Verwerdens und Untergehens. Mit unbarmherziger Kraft zwang er uns alle: Wenn wir nicht geistig und innerlich zugrunde gehen wollen, dann müssen wir bereit sein, unser Leben zu lassen für ein über dem einzelnen stehendes Höheres, für das Vaterland, für deutsche Eigenart und Sitte. Auf einmal waren sie Lügen gestraft, die das Sichausleben des einzelnen als höchstes Ziel gepriesen haben; das Weizenkorn muß sterben, um Frucht zu bringen — diese Lehre wurde wieder anerkannt von allen. Und wenn sie nicht anerkannt worden wäre, so wäre Deutschland heute vernichtet.

Die Lehre gilt aber nicht nur im Kriege der Völker, sondern sie gilt auch im Leben eines jeden einzelnen zu jeder Zeit. Unser Leben muß immer ein Kriegsdienst sein (Job 7, 1). Denn der Zunder der Sünde, der von der Erbsünde stammt, und die Einflüsterungen Satans, der uns den Himmel mißgönnt, sie müssen ständig niedergekämpft werden, wenn wir das Himmelreich erlangen wollen. Nur wenn das Weizenkorn stirbt, kann es Frucht bringen. Nur wenn unsere Eigenliebe untergeht in der Liebe zum Guten, im Gehorsam gegen Gott, können unsere seelischen und leiblichen Kräfte Ersprießliches wirken.

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Andächtige, es ist Kriegszeit, blutige, ernste, schwere Zeit. Die Völker ringen in schrecklichem Kampfe um einen großen entscheidenden Sieg. Aber ach, nur allzusehr nimmt dieser Krieg in vieler Herzen eine rohe, unchristliche Gestalt an. Haß und unchristlicher Rachedurst erfüllt gar viele gegenüber den Völkern, mit denen wir im Kriege liegen. Da kommt die Mahnung des Herz-Jesu-Monats zur rechten Zeit: die Mahnung zur Opfergesinnung des Herzens Jesu, aus der die Liebe auch zu den Feinden geboren wurde. Ich aber sage euch, liebet eure Feinde!" (Mt 5, 44). Das Wort bleibt stehen, Geliebte, auch im Kriege. Hätte Jesus nicht seine Feinde geliebt, so wären wir verloren. Denn durch die Sünde waren wir feine Feinde. Er aber liebte uns, als ob wir seine Freunde wären, und er opferte sein Leben für uns. — Lasset uns einfältig werden in unserem Denken, Geliebte, auch in dieser blutigen Zeit, und lasset uns in der Einfalt unseres Herzens das Opfer bringen, auch unsere Feinde zu lieben, weil Gott es will. Wohl weist unser Heer mit eiserner Faust sie zurück von den Grenzen unseres Reiches, das sie frevelnd überfielen. Und das Heer tut recht daran. Aber den Haß, den viele zurzeit in uns schüren wollen, dürfen wir nicht aufkommen lassen, auch wenn es uns Opfer kostet. In der Tiefe unseres Herzens müssen wir auch unsere Feinde lieben und „beten für die, welche uns verfolgen" (Mt 5, 44).

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