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Werner Sombart, Händler und Helden (1915)

Viele deutsche Intellektuelle fühlten sich dazu bewegt, den Ersten Weltkrieg in hochtrabenden Worten über konkurrierende Kulturen und Zivilisationen zu interpretieren. Für den Ökonomen Werner Sombart (1863-1941) war dieser Konkurrenzkampf eine feindliche Gegenüberstellung von Helden und Händlern. Die Deutschen, erklärte er, seien eine Nation von Helden, der großen Tat verpflichtet und von ureigenen Instinkten beseelt; dagegen seien die Briten pragmatisch, hedonistisch, berechnend und gemein.

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Alle großen Kriege sind Glaubenskriege, waren es in der Vergangenheit, sind es in der Gegenwart und werden es in der Zukunft sein. Früher waren sie es auch im Bewußtsein der Kämpfenden: ob Kaiser Karl gegen die Sachsen stritt, ob die „Franken" zur Befreiung des heiligen Grabes auszogen, ob dann die vordringenden Türken zurückgeschlagen wurden, ob die deutschen Kaiser ihr Reich gegen die italienischen Städte verteidigten, ob Protestanten und Katholiken im Reformationszeitalter um die Vorherrschaft kämpften: immer waren sich die Kriegführenden bewußt, daß sie für ihren Glauben fochten, und wir, die wir rückschauend die welthistorische Bedeutung dieser Kriege zu erkennen trachten, verstehen, daß jene Gefühle und Gedanken der Kämpfenden aus tiefem Grunde kamen.

Noch die Napoleonischen Kriege sind von den Besten der Zeit nicht anders gedeutet worden denn als Glaubenskämpfe. So beurteilt der jüngste Biograph des Freiherrn vom Stein dessen Auffassung vom Wiener Kongreß gewiß richtig, wenn er sagt: dem Freiherrn vom Stein sei das Ganze nicht als ein Ringen um die Macht, sondern als ein Kampf zwischen dem Bösen und dem Guten erschienen.

Im Zeitalter der Nationalstaaten und des Kapitalismus liegen die tieferen Gegensätze, die in den großen, in den Weltkriegen, zum Austrag kommen, nicht so an der Oberfläche. Da erscheinen vielmehr reines Machtstreben oder ökonomische Interessen als die einzigen Gründe der Kämpfe. Und die treibenden Kräfte mögen sie auch sein. Aber es hieße an der Oberfläche haften bleiben, wollte man hinter diesen, auch dem einfachsten Verstande sichtbaren Veranlassungen der Kriege unserer Zeit, und vor allem des heiligen Krieges, den Deutschland jetzt gegen eine Welt von Feinden ausficht, nicht die tieferen Gegensätze erkennen, die im Kampfe liegen, und die wiederum keine anderen als Glaubensgegensätze oder, wie wir jetzt zu sagen pflegen: Gegensätze der Weltanschauung sind.

Es ist ersichtlich, daß in dem gegenwärtigen Weltkriege eine Menge der verschiedensten Einzelkonflikte zum Austrag gebracht werden. Es sind Nebenkriege, die etwa Rußland mit der Türkei um den Besitz der Dardanellen, oder Frankreich mit Deutschland um Elsaß-Lothringen, oder Österreich-Ungarn mit Rußland um die Vorherrschaft auf dem Balkan führen. Der Hauptkrieg ist ein anderer. Das haben am deutlichsten unsere Gegner erkannt, als sie der Welt verkündeten: was im Kampfe miteinander liege, seien: die „westeuropäische Zivilisation", „die Ideen von 1789" und der deutsche „Militarismus", das deutsche „Barbarentum". In der Tat ist hier instinktiv der tiefste Gegensatz richtig ausgesprochen. Ich möchte ihn nur ein wenig anders fassen, wenn ich sage: was im Kampfe steht, sind der Händler und der Held, sind händlerische und heldische Weltanschauung und dementsprechende Kultur. Weshalb ich mit diesen Ausdrücken einen ganz tiefen, allumfassenden Gegensatz der Weltbetrachtung und des Welterlebens herauszuheben versuche, soll die folgende Darstellung erweisen.

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