GHDI logo


Adolf Behne, „Bruno Taut” (1914)

Innovation hatte als Qualitätsmaßstab für die Architektur des Wilhelminischen Deutschland eine ebenso große Bedeutung wie für Malerei und Bildhauerei. Technologische Fortschritte in der Entwicklung leichter und strapazierfähiger Materialien wie Stahl veränderten die Formensprache der Architekten beim Gebäudeentwurf. Im folgenden Bericht beschreibt der Kritiker Adolf Behne, selbst Architekt, wie Bruno Taut (1880-1938) sich neuer Materialien und Bautechniken bediente und dabei sein eigenes modernes Architekturkonzept entwickelte.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 2


Bruno Taut hat mit dem Pavillon des Stahlwerksverbandes auf der Leipziger Baufach-Ausstellung einen ersten großen und allgemeinen Erfolg errungen! Das »Monument des Eisens«, wie das Haus kurz und bündig getauft wurde, erregte auch bei denen Aufmerksamkeit, die sonst architektonischen Schöpfungen weniger teilnahmsvoll gegenüberstehen. Es fühlte ein jeder, daß in diesem knappen, phrasenlosen, und wundervoll energischen Gefüge ein wirklich moderner und völlig zeitgemäßer Künstler steckte. Aber leider hat das starke Interesse an dem Leipziger Pavillon nicht dazu geführt, daß die Allgemeinheit sich nun auch dem sonstigen Schaffen Bruno Tauts zugewendet hätte. Das ist um so bedauerlicher, als Bruno Taut in Wahrheit schon Bedeutenderes geleistet hat als jenen Leipziger Pavillon. Gerade jetzt hat er in Groß-Berlin ein neues Wohnhaus gebaut, das eine ganz seltene und wahrhaft hinreißende architektonische Leistung darstellt!

Es handelt sich um das Eckhaus der Hardenberg- und Schillerstraße in Charlottenburg, das Bruno Taut über einem städtebaulich sehr interessanten Grundriß von Arthur Vogdt aufgeführt hat.

Nichts liegt Bruno Taut ferner, als Extravaganz, Spielerei oder Bluff. Was ihn auszeichnet, ist seine strenge Sachlichkeit – freilich eine künstlerische Sachlichkeit, nicht die Sachlichkeit des »Zweckkünstlers« oder des »Puritaners«. In diesem künstlerischen Sinne war das »Monument des Eisens« absolut sachlich. Die goldene Kugel, die über der Achteckpyramide saß und die hier und da Bedenken erregte, hatte praktisch-ökonomisch allerdings keinen Zweck! Aber künstlerisch hatte sie durchaus ihren Zweck, war sie niemals zu entbehren!

In diesem künstlerischen Sinne ist auch das Hardenberghaus (das Haus trägt nicht diesen Namen, sei aber im Interesse der Kürze hier einmal so bezeichnet) völlig sachlich. Bruno Taut geht hier bewußt auf die Urelemente des Bauens zurück und läßt alles beiseite liegen, was nur Konvention, nur Ableitung ist. Auch er bemüht sich, wie die besten Künstler unserer Tage, um eine neue Einfachheit, um Primitivität. Das alles lag schon im Leipziger Pavillon enthalten und hat hier auf die Besucher, ohne daß sie sich der Ursachen klar wurden, sehr tief gewirkt. Aber um vieles bedeutungsvoller und nachdrücklicher spricht sich das Streben Bruno Tauts im Hardenberghaus aus.

Eine neue Gesinnung, ein neues Lebensgefühl liegt in dieser Architektur! Hier ist alles Äußerliche, aller Putz, alle »Dekoration« wie mit einem eisernen Besen weggefegt! Wer einen Blick auf die Häuser der Umgebung wirft, atmet, wenn sein Auge zu der Fassade Bruno Tauts zurückkehrt, aus tiefstem Grunde auf. Ein geradezu erlösendes Gefühl der Ruhe überkommt ihn. Es ist, als ob man nach einem vielstimmigen, unklaren, verwirrenden Geräusch einen reinen und vollen Ton vernimmt. Reinheit! Das ist vielleicht das Wort, das am ehesten der Architektur Tauts gerecht wird.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite