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Über Arbeiterkontrolle (1915)

Für die Industriellen und deren Geschäftsführer war es von entscheidender Bedeutung, die Arbeitsabläufe in den großen Fabriken kontrollieren zu können. Ihre Möglichkeiten, die Zahl der Arbeitsstunden und die Produktivität der Arbeiter genau zu übersehen, wuchsen mit technischen Innovationen wie den zunehmend präziseren Uhren. Derartige Entwicklungen bildeten die Grundlage zur Ausübung sozialer Kontrolle im modernen Zeitalter.

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Das Wirtschaftsleben der Gegenwart steht unter dem Zeichen des scharf gespannten Wettbewerbes, der sich nur dann zu einem erfolgreichen gestalten läßt, wenn bei Anwendung aller rationellen Arbeitsmethoden auch auf die volle Ausnutzung der Arbeitszeit genaue Obacht gegeben wird. Das Mittel zu letzterer ist die Arbeiterkontrolle. [ . . . ]

Wohl am meisten verbreitet ist die Markenkontrolle [ . . . ]. Als älteste und einfachste Markenkontrolle ist diejenige zu bezeichnen, nach welcher am Fabrikeingang Tafeln angebracht sind, auf der jeder kommende oder gehende Arbeiter seine Marke anhängt oder abnimmt. Eine zweite gleiche Markentafel befindet sich in der Regel in dem eigentlichen Arbeitsraum, meist in der Nähe des Meisterplatzes, damit der Meister die Tafel leicht zur Kontrolle übersehen kann. Nach Arbeitsbeginn bewirkt der Portier den Torschluß, so daß jeder zu spät kommende Arbeiter sich beim Portier melden muß, um seine Marke zu erhalten. Zweckmäßig ist es, die Tafeln mit einem Drahtgitter zu versehen, das nach erfolgtem Torschluß vor die Marken gelegt wird, damit kein Unbefugter zu denselben Zutritt hat. Jeder zu spät kommende Arbeiter wird beim Abfordern der Marke vom Portier in diesem Sinne notiert, dasselbe geschieht zur späteren Gegenkontrolle durch den zuständigen Meister, bei dem sich der zuspät gekommene Arbeiter beim Abliefern seiner Marke persönlich zu melden hat. Ganz ähnlich, nur umgekehrt wird verfahren, wenn ein Arbeiter vorzeitig die Arbeitsstätte verläßt. Das Fehlen der Arbeiter stellt der Portier auf Grund der hängengebliebenen Marken fest, während der Meister die gleichen Aufzeichnungen nach Maßgabe der leeren Markennummern vornimmt. Bei Arbeitsschluß vollzieht sich der umgekehrte Vorgang: der Meister öffnet die Markentafel, von der jeder die Werkstatt verlassende Arbeiter seine Marke entnimmt, um sie vorn am Haupteingang auf die Tafel des Portiers aufzuhängen. Bleibt jetzt beim Meister eine Marke hängen, so muß angenommen werden, daß der Arbeiter die Arbeitsstätte noch nicht verlassen hat. Handelt es sich um besonders gefährliche Betriebe, so ist die Vermutung nicht unmöglich, daß vielleicht ein bis dahin nicht beobachteter Unglücksfall vorliegt und sind in dieser Richtung sofortige Nachforschungen am Platze. In der Regel wird natürlich der Fall so liegen, daß der Arbeiter ohne Markenentnahme den Arbeitsraum verlassen hat, über deren Gründe dann Aufklärung zu schaffen ist. Die Aufzeichnungen der Arbeitskontrolle von Portier und Meister sind auf ihre Übereinstimmung hin zu vergleichen; eine Arbeit, die in der Regel von dem Lohnbureau vorgenommen wird. Bei Großbetrieben empfiehlt es sich, den einzelnen Handwerker- oder Arbeiterkategorien bestimmte Nummergebiete vorzubehalten; beispielsweise sieht man für die Dreher die Nummer 1-100, für die Tischler 100-200 vor, wodurch man in der Lage ist, durch die Nummer leicht und bequem die engere Berufsart des einzelnen zu ermitteln. [ . . . ] In Betrieben mit großer Arbeiterzahl erfordert nun die ständige, täglich mehrfach notwendige Kontrolle ein entsprechendes Personal, da der Portier die große Zahl von Notierungen allein nicht durchführen kann. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, hat man sogenannte Markensammelapparate gebaut, die ihre Aufgabe in sinnreicher Weise lösen [ . . . ].

Die Technik der Arbeiterkontrolle ist aber hierbei nicht stehen geblieben, sondern weiter geschritten und damit kommen wir zu den Kontrolluhren, die an sich schon ziemlich alt sind. Als ältester und einfachster Kontrollapparat hat der Schlüsselapparat zu gelten, den man als eine größere Wanduhr charakterisieren kann. Jeder Arbeiter verfügt über einen Schlüssel, der am Bartende die Kontrollnummer führt. Beim Antritt oder Verlassen der Arbeit steckt jeder Arbeiter seinen Schlüssel in ein unterhalb des Ziffernblattes befindliches Schlüsselloch, wo nach erfolgter Umdrehung die Kontrollnummer, Stunde und Minute mechanisch auf einen Papierstreifen aufgedrückt wird, der im Innern der Uhr rollt. Der Zettel vermerkt so fortlaufend jeden sich zur Kontrolle begebenden Arbeiter. Die Schlüssel hängen, ähnlich wie die Marken, nummernweise auf einer Tafel. Das weitere Verfahren entspricht

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