GHDI logo


August Sander über die Photographie (1927)


Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 1


Man fragt mich oft, wie ich auf den Gedanken gekommen sei, dieses Werk zu schaffen:

Sehen, Beobachten und Denken

und die Frage ist beantwortet.

Nichts schien mir geeigneter zu sein, als durch die Photographie in absoluter Naturtreue ein Zeitbild unserer Zeit zu geben.

Wir finden aus vergangenen Tagen aller Zeiten Schriften und Bücher mit Abbildungen, aber die Photographie hat uns neue Möglichkeiten und andere Aufgaben als die Malerei gegeben. Sie kann die Dinge in grandioser Schönheit, aber auch in grauenhafter Wahrheit wiedergeben, kann aber auch unerhört betrügen. Die Wahrheit zu sehen, müssen wir vertragen können, vor allem aber sollen wir sie unsern Mitmenschen und der Nachwelt überliefern, sei es günstig oder ungünstig für uns.

Wenn ich nun als gesunder Mensch so unbescheiden bin, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen oder können, so möge man mir dies verzeihen, aber ich kann nicht anders.

Ich bin 30 Jahre Photograph und habe mich allen Ernstes mit der Photographie befaßt, bin gute und schlechte Wege gegangen und habe den Irrtum erkannt.

Die Ausstellung im Kölnischen Kunstverein ist das Resultat meines Suchens, und ich hoffe, auf dem richtigen Wege zu sein. Nichts ist mir verhaßter als überzuckerte Photographie mit Mätzchen, Posen und Effekten.

Darum lassen Sie mich in ehrlicher Weise die Wahrheit sagen über unser Zeitalter und seine Menschen.

Geschrieben im November 1927

August Sander



Quelle: August Sander, „Mein Bekenntnis“, Document REWE library, Die Photographische Stiftung/SK Stiftung Kultur, August Sander Archiv, Köln.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite