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Raoul Hausmann, „Der deutsche SPIESSER ärgert sich” (1919)


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Warum? Wer ist der deutscher Spießer, daß er sich über Dada ärgert? Es ist der deutsche Dichter, der deutsche Geistige, der vor Wut platzt, daß man seine formvollendete Schmalzstullenseele in der Sonne des Gelachters schmoren ließ,der tobt, weil man ihn mitten ins Gehirn traf, das bei ihm dort liegt, wo er sitzt – und nun hat er nichts mehr, daßer sitze! Nein, greifen Sie uns nicht an, meine Herren, wir sind schon unsere eigenen Gegner und wissen uns besser zu treffen, als sie. Begreifen Sie doch, daß Ihre Positionen uns völlig gleichgültig sind, wir haben andere Glieder am Leibe. Rühren sie nur aus Leibeskräften die Trommel ihres geistigen Geschäfts, schlagen Sie nur feste auf Ihrem Bauch herum, daß ein Gott sich des Schalles erbarme – wir haben längst diese alte Trommel beiseite geschmissen. Wir dudeln, quietschen, fluchen, lachen die Ironie:

Dada! Denn wir sind – ANTIDADISTEN!

Da haben Sie den Salat! Sparen Sie sich Ihre zerschundenen Knochen und nähen Sie Ihre zerrissene Fresse, Sie haben alles umsonst getan! Daß Sie uns nicht an die Wand stellen können, das macht uns feierlich. Und so wollen wir Ihnen denn Ihre Gedärme ausspülen und Ihnen die Bilanz Ihrer feierlichen Werte vorlegen.

Nach der ungeheuren Verdünnung des Lebensgefühls in ästhetische Abstraktionen und moralisch-ethische Farcen enttauchte dem europäischen Wurschtkessel der Expreßionismus des deutschen Patrioten, der aus einer anständigen Bewegung, die von Franzosen, Russen und Italienern ausging, ein kleines profitables Kriegsgeschäft in einer endlos dicken Begeisterung fabrizierte. Der Leierkasten der reinen Dichtung, Malerei, Musik wurde in Deutschland auf einer äußerst tüchtigen Geschäftsbasis gespielt. Aber dieses Pseudo-theosophish-germanische Teekränzchen das es bis zur Anerkennung durch ostpreußische Junker brachte, soll uns hier gleichgültig sein, ebenso wie die kaufmännischen Machinationen des Herrn Walden, der, ein typischer deutscher Spießer, seine Transaktionen mit einem buddhistisch-hochtrabenden Mäntelchen behängen zu müssen glaubt. Sein Geschäftsgenie in Ehren, aber seine Ästhetik und sein Kunstpreußentum dorthin, woher sie stammen, ins Büro des Winkeladvokaten. Wäre der Walden und seine Dichterschule im geringsten revolutionär, sie müßten zunächst das eine begreifen, daß Kunst nicht ästhetische Harmonisierung bürgerlicher Besitzvorstellungen sein kann.

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