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Der Dawes-Bericht (1924)


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Erster Teil

Wir sind an unsere Aufgabe als Geschäftsleute herangegangen, in dem eifrigen Bestreben, positive Ergebnisse zu erzielen. Wir haben uns mit der technischen, nicht mit der politischen Seite des uns vorgelegten Problems befaßt. Deutlich haben wir erkannt, daß politische Rücksichten notwendig gewisse Grenzen ziehen, innerhalb deren man sich halten muß, um eine Lösung zu finden, die die Möglichkeit der Annahme haben soll. Insoweit und nur insoweit haben wir uns damit beschäftigt.

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Das Komitee hatte zu erwägen, wie weit der Ausgleich des Staatshaushalts und die Stabilisierung der Währung in Deutschland bei der Lage, in der es sich gegenwärtig befindet, wo seine Steuerhoheit und seine wirtschaftlichen Rechte in einem Teil seines Gebiets beschränkt sind, dauernd wiederhergestellt werden kann.

Wir müssen von vornherein sagen, daß wir nicht imstande gewesen sind, unter diesen Bedingungen irgend welche praktischen Mittel zur Sicherstellung einer dauernden Stabilität in Staatshaushalt und Währung zu finden, und wir halten es für wenig wahrscheinlich, daß es derartige Mittel gibt: Die Lösung des doppelten Problems, das uns unterbreitet worden ist, schließt tatsächlich die Wiederherstellung von Deutschlands innerem und äußerem Kredit ein, und es schien uns unmöglich, diese Wiederherstellung unter den erwähnten Bedingungen ins Auge zu fassen. Aus diesem Grunde sahen wir uns gezwungen, davon auszugehen, daß die steuerliche und wirtschaftliche Einheit des Reichs wiederhergestellt wird, und auf dieser Voraussetzung beruht unser ganzer Bericht.

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Die Lösung der Aufgabe würde aussichtslos sein, wenn der heutige Zustand Deutschlands ein deutliches Bild seiner latenten Leistungsfähigkeit gäbe; denn in diesem Falle würden die Erträge seiner nationalen Produktion es nicht in die Lage versetzen, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und gleichzeitig die Zahlung seiner Auslandsschulden sicherzustellen.

Deutschlands wachsende und arbeitsame Bevölkerung aber, seine große technische Begabung, seine bedeutenden materiellen Hilfsquellen, die Entwicklung seiner Landwirtschaft auf fortschrittlichen Bahnen, der hervorragende Platz, den die mit der Industrie zusammenhängenden Wissenschaften einnehmen, sind ebenso viele Faktoren, die uns einen hoffnungsvollen Ausblick auf seine künftige Produktion gestatten. Ferner hat Deutschland seine Anlagen und Ausrüstung seit 1919 dauern verbessert, die mit der Begutachtung der Eisenbahnen besonders betrauten Sachverständigen haben in ihrem Bericht dargelegt, mit welchem Luxus das deutsche Eisenbahnnetz vervollkommnet worden ist; das deutsche Telephon- und Telegraphen-System ist mit den modernsten Hilfsmitteln ausgestattet; Häfen und Kanäle sind gleichfalls ausgebaut worden; schließlich waren die Industriellen in der Lage, ihre hochmodernen Fabrikanlagen noch zu erweitern, sodaß in vielen Industrien mehr produziert werden kann als vor dem Kriege.

Deutschland ist somit gut mit natürlichen Hilfsquellen versehen; es besitzt die Mittel zu ihrer großzügigen Ausbeutung; sobald die heutige Kreditknappheit überwunden ist, wird es wieder imstande sein, eine bevorzugte Stellung in der Tätigkeit einer Welt einzunehmen, in der allmählich ein normaler Austauschverkehr wiederhergestellt ist. Ohne unangebrachten Optimismus darf man also annehmen, daß Deutschland in seiner Produktion die Mittel finden wird, neben der Befriedigung seiner eignen Bedürfnisse auch die Summen aufzubringen, die in diesem Plane für die Reparationsverpflichtungen ins Auge gefaßt sind. Der Wiederaufbau seiner Finanzen und seiner Währung, wie auch die Wiederherstellung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse in der Welt erscheinen uns als wesentliche, aber ausreichende Bedingungen, um dies Ergebnis zu erreichen.

An erster Stelle wollen wir das Währungsproblem besprechen. Deutschlands gegenwärtige Finanz- und Währungslage wird in Teil II dargelegt. Wie man sehen wird, ist durch die Rentenmark seit einigen Monaten eine Stabilität erreicht worden, jedoch auf einer Basis, die beim Fehlen jeder anderen Maßnahme nur vorübergehend sein kann. Das Komitee schlägt entweder die Errichtung einer neuen Emissionsbank in Deutschland oder eine Umgestaltung der Reichsbank als Grundbedingung für die Herbeiführung einer einheitlichen und stabilen Währung in Deutschland vor. Eine solche Währung ist nach Ansicht des Komitees für die Sanierung der deutschen Finanzen, für den Ausgleich des Haushalts und für die Wiederherstellung des Auslandskredits notwendig.

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