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EU-Ratspräsidentschaft (29. November 2006)

Ende 2006 stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel der Öffentlichkeit ihr Arbeitsprogramm für die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands vor, die am 1. Januar 2007 beginnen sollte. Die Bundeskanzlerin betonte, dass Europa sich an sein erweitertes Format und an eine veränderte Weltlage anpassen müsste. Am wichtigsten sei ein neuer Verfassungsvertrag für Europa, der, so Kanzlerin Merkel, „das Fundament des europäischen Hauses festigen“ und einen „verbesserten Grundrechteschutz als Ausdruck unserer europäischen Werteordnung“ schaffen würde. Auch in anderen Bereichen will sie Fortschritte gemacht sehen, sodass Europas Stimme weltweit gestärkt wird.

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Wertegebundene Europapolitik
Herausforderungen für die deutsche Ratspräsidentschaft



Es war nur ein kurzer zeitlicher Schritt zwischen den historischen Erweiterungsfeiern des Jahres 2004 und den Volksabstimmungen über den Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden im letzten Jahr. Aber gerade deshalb stürzte er die Europäische Union in ein Wechselbad der Gefühle. Es ist offensichtlich, dass viele Europäerinnen und Europäer so manchen europapolitischen Schritt der letzten Jahre nicht gutgeheißen haben. Gerade deshalb ist die Wiedergewinnung des Vertrauens in die Europapolitik eine der wichtigsten Aufgaben aller Politiker in Europa.

Europas Einigungsprozess ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Die Initiative Robert Schumans zur Gründung der Montanunion hat die Beziehungen zwischen den europäischen Ländern revolutioniert. Zum ersten Mal haben sich die Völker Europas aus freiem Willen eine gemeinsame Ordnung gegeben.

Diese glückliche Entwicklung der letzten fünfzig Jahre war möglich, weil uns Europäer trotz aller Unterschiede Grundlegendes verbindet. Europa gründet auf gemeinsamen geschichtlichen Erfahrungen und auf dem Willen, unsere Zukunft miteinander besser zu gestalten. Vor allem beruht Europa auf Werten, die wir teilen, auf Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte. Diese grundlegenden Werte sind in Europa über Jahrhunderte gewachsen. Sie haben ihre Wurzeln insbesondere im Christentum und der europäischen Aufklärung, in der griechisch-römischen Antike und im Judentum. Europäische Zusammenarbeit wird auch in Zukunft immer wertegebunden sein müssen, wenn sie Bestand haben soll.

So eminent wichtig Binnenmarkt und Euro und vieles andere für die Europäische Union auch immer sein mögen, es sind in erster Linie gemeinsam geteilte Grundwerte, die Europa im Innersten zusammenhalten.

Fundamente der Gemeinschaft

Nächstes Jahr jährt sich die Unterzeichnung der „Römischen Verträge“ zum fünfzigsten Mal. Dieser Jahrestag, der in den deutschen Ratsvorsitz fällt, bietet eine hervorragende Gelegenheit, über die Fundamente der Gemeinschaft nachzudenken. Ich habe die Staats- und Regierungschefs der EU und die Präsidenten der Kommission und des Europäischen Parlamentes zu einem Gipfeltreffen nach Berlin eingeladen, das ganz im Zeichen des Brückenschlages von der Rückbesinnung und Selbstvergewisserung hin zu dem gemeinsamen Entschluss, die in uns gesetzten Erwartungen zu erfüllen, stehen soll. Ich wünsche mir, dass dies in Form einer gemeinsamen „Berliner Erklärung“ bekräftigt wird.

Der Bau der Union vollzog sich über die Jahrzehnte hin immer mit jeweils eigenen, besonderen Schwerpunkten: von Kohle und Stahl in den Anfängen der Gemeinschaft über die Wirtschafts- und Währungsunion bis hin zur Überwindung der Teilung des Kontinentes. Heute geht es vor allem darum, weitere Anpassungen der Europäischen Union an ihre neue Größe und eine veränderte Weltlage vorzunehmen. Dazu gehören eine wirtschaftliche und soziale Modernisierung Europas als notwendige Voraussetzung unserer Selbstbehauptung in der Welt und eine Reform der inneren „Verfasstheit“ der EU. Dies werden auch die Schwerpunkte des am 1. Januar beginnenden deutschen Ratsvorsitzes sein.

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