Deutschland ist kein Ja-Land mehr Die wiederentdeckte Freundlichkeit im Verhältnis zwischen Berlin und Washington kann über alte – und neue – Streitpunkte nicht hinwegtäuschen.
Wenn Gerhard Schröder gut gelaunt ist, dann spricht er in der Öffentlichkeit Englisch. Oder vielmehr: Er sagt einen englischen Satz, meistens einen kurzen. Nicht ohne Grund geht er mit dem Stilmittel der öffentlichen englischen Rede sparsam um. Schließlich ist er deutscher Bundeskanzler und kein Dolmetscher. Am Freitag nachmittag muß Schröders Laune prächtig sein. Im Kanzleramt steht neben ihm die neue amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice, zum Antrittsbesuch in Berlin. Ohne lange zu fackeln, bestimmt sie, wer als nächster aus dem Journalistentroß eine Frage stellen darf. Das ist unüblich, die Moderation von Pressekonferenzen obliegt dem Gastgeber. „We are in Germany. But that is women power", kommentiert mit freundlichem Lachen der Übergangene. Rice begreift, daß sie einen Fehler gemacht hat, wendet sich entschuldigend um zu Schröder. Der winkt großzügig ab.
Szene mit Symbolwert
Die Szene hat Bedeutung aus doppeltem Grund. Erstens gehörten Leichtigkeit und Scherz seit dem Irak-Zerwürfnis nicht zu den Selbstverständlichkeiten deutsch-amerikanischer Treffen. Zweitens führte Schröder mit dem freundlichen Rüffel eine Miniatur des neuen deutschen Selbstbewußtseins gegenüber Amerika vor. Wie hatte Rice wenige Minuten zuvor gesagt: Es sei nun an der Zeit, ein neues Kapitel der amerikanisch-deutschen Beziehungen aufzuschlagen.
Der erste Höhepunkt in diesem Kapitel wird der Besuch Präsident George W. Bushs nebst Gattin Laura am 23. Februar in Mainz sein. Doch schon zuvor hat der frisch im Amt bestätigte Bush den bilateralen Kontakt zu Schröder gesucht: am vorigen Montag. Da rief der Präsident beim Kanzler an, um ihm zu sagen, wie sehr er sich über dessen positive Reaktion auf die Wahl im Irak gefreut habe. Wieder eine dieser kleinen Szenen, ein weiteres Symbol für den gegenwärtigen Zustand der deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Denn auf verschiedenen diplomatischen und politischen Kanälen, unter anderem über die Vereinten Nationen, hatte das Weiße Haus schon lange vor dem Wahltag im Irak die europäischen Verbündeten – allen voran die Kritiker des Irak-Kriegs – wissen lassen, daß Washington unabhängig von Verlauf und Ausgang der Wahl eine positive Kommentierung erwarte. Da die Wahlbeteiligung überraschend hoch und der Verlauf alles in allem erfolgreich war, fiel es Schröder nicht schwer, von großen Fortschritten für die Demokratie in der Region zu sprechen. Doch im Rückblick ist in Berlin zu hören: Es wäre „tödlich" gewesen, wenn es von uns Kritik an der Wahl gegeben hätte.