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Der Kosovo-Krieg und die Grünen (13. Mai 1999)

Ein halbes Jahr nach dem Beginn der rot-grünen Koalition standen die Regierungsparteien bereits vor einer Zerreißprobe. Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte sich die Bundesrepublik bereit, Truppen und Militärflugzeuge zu entsenden, um den NATO-Einsatz im Kosovo zu unterstützen. Vor allem innerhalb der Partei der Grünen stieß dies auf Widerstand. Auf dem Sonderparteipartei der Grünen, der eigens zu diesem Thema einberufen worden war, appelliert Außenminister Joschka Fischer an seine Parteifreunde, den Militäreinsatz im Kosovo zu unterstützen.

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Rede des Außenministers zum NATO-Einsatz im Kosovo


Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gegner, geliebte Gegner, ein halbes Jahr sind wir jetzt hier in der Bundesregierung, ein halbes Jahr [Zuruf: Kriegshetzer!] – ja ich hab nur drauf gewartet – hier spricht ein Kriegshetzer und Herrn Milosevic schlagt ihr demnächst für den Friedensnobelpreis vor. Wenn die Parteifreundin sich hinstellte und sagte, die Parteiführung spricht über ihre Zerrissenheit, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, wenn ihr die Bilder seht. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass wir hier einen Grünen-Parteitag nach einem halben Jahr. [ . . . ]

Ich dachte, wir wollen hier diskutieren und dass die Friedensfreunde vor allen am Frieden Interesse haben. Und wenn ihr euch so sicher seid, dann solltet ihr doch die Argumente wenigstens anhören und eure Argumente dagegen setzen. Mit Sprechchören, mit Farbbeuteln wird diese Frage nicht gelöst werden, nicht unter uns und auch nicht außerhalb. Und wir erleben es ja bei diesem Parteitag, und insofern ist es keine innere Zerrissenheit, sondern eine äußere Zerrissenheit. Ich hätte mir auch nicht träumen lassen, dass wir Grüne unter Polizeischutz einen Parteitag abhalten müssen. Aber warum müssen wir unter Polizeischutz diskutieren? Doch nicht, weil wir diskutieren wollen, sondern weil hier offensichtlich welche nicht diskutieren wollen, wie wir gerade erlebt haben. Das ist doch der Punkt! Ich weiß, als Bundesaußenminister muss ich mich zurückhalten, darf da zu bestimmten Dingen aus wohlerwogenen Gründen nichts sagen. Nicht so, wie mir wirklich das Maul am liebsten übergehen würde von dem, was ich in letzter Zeit gehört habe: Ja, „der Diplomatie eine Chance", ich kann das nur nachdrücklich unterstützen. Nur ich sage euch: Ich war bei Milosevic, ich habe mit ihm 2 1/2 Stunden diskutiert, ich habe ihn angefleht, drauf zu verzichten, dass die Gewalt eingesetzt wird im Kosovo. Jetzt ist Krieg, ja. Und ich hätte mir nie träumen lassen, das Rot/Grün mit im Krieg ist. Aber dieser Krieg geht nicht erst seit 51 Tagen, sondern seit 1992, liebe Freundinnen und Freunde, seit 1992! Und ich sage euch, er hat mittlerweile Hunderttausende das Leben gekostet und das ist der Punkt, wo Bündnis 90/Die Grünen nicht mehr Protestpartei sind. Wir haben uns entschieden, in die Bundesregierung zu gehen, in einer Situation, als klar war, dass hier die endgültige Zuspitzung der jugoslawischen Erbfolgekriege stattfinden kann. Ich erinnere mich noch. [ . . . ] – Nein, ich höre nicht auf! Den Gefallen tue ich euch nicht! – [ . . . ] Ich kann mich noch erinnern: Die Bundestagswahlen waren gerade vorbei. Da sind Schröder und ich nach Washington geflogen. Wir waren noch in der Opposition, da war schon klar, dass wir ein Erbe mit bekommen, dass unter Umständen in eine blutige Konfrontation, in einen Krieg führen kann. Und ich kann euch an diesem Punkt nur sagen: schon damals, als wir die Koalition beschlossen haben, war uns klar, dass wir in einer schwierigen Situation antreten.

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