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Münchener Gourmet-Läden versorgen die Elite (23. Dezember 2004)

Ein Journalist vergleicht zwei international renommierte Gourmettempel in München, Dallmayr, eine Bastion von Geschmack und Tradition, und Käfer, ein Repräsentant von Stil und Experiment, wobei der Autor auf das Entstehen einer Elite hinweist, für die kulinarische Güte zu einer Form sozialer Abgrenzung geworden ist.

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Dallmayr und Käfer – wie Rolls Royce und Ferrari

Wo Gourmets am Trüffel schnüffeln und die Berufsgattin den Champagner ordert: Die Feinkost-Tempel repräsentieren zwei Münchner Welten.



In seinem weißen Lama-Mantel und mit dem Angora-Hut ist der Herr Professor eine imposante Erscheinung; ein Genussmensch wie aus einer anderen, eleganteren Zeit. Streng genommen ist Elk Preßler gar kein richtiger Professor, so wird er nur in seinem Lieblingsgeschäft an der Dienerstraße genannt. „Grüß Gott, Herr Professor, wollen S‘ heut nix von mir?“, fragt ihn die Dame vom Pâtisserie-Stand. Preßler bleibt stehen, stellt eine Dallmayr-Tüten ab und hält ein Schwätzchen. Dann kauft er Weihnachtstrüffel – „Geschenke für meine Freunde“ – und schlendert weiter in die Kaffeeabteilung, wo das Aroma frisch gerösteter Bohnen, der markanteste Duft dieses aromareichen Hauses, am intensivsten ist.

Ja, der Herr Professor. Er wird sich später, wenn er seine Frischware nach Hause gebracht hat, ein Gourmetmahl gönnen: Indonesischen Shrimpssalat, Entenschenkel und Lebkuchen-Mousse wird er auf seine schönsten Teller drapieren und dann genüsslich verspeisen. „Das leiste ich mir ein paar Mal im Monat“, sagt der 64-Jährige, der schon mit seiner Mutter bei Dallmayr einkaufen ging. Niemals würde er den Weg zu Münchens anderem Delikatessenhaus, Käfer in der Prinzregentenstraße, auf sich nehmen – Bogenhausen ist nicht seine Welt. „Wissen Sie, beim Dallmayr hat sich fast nichts verändert seit damals. Das ist ja das Schöne hier.“

Wenn man sich in der Mittagszeit umschaut im Feinschmecker-Gewölbe des königlichen Hoflieferanten Alois Dallmayr, dann sieht man vor allem Kunden, die im Wintermantel und mit dicken Tüten so zielsicher zur nächsten Theke streben, als sei dies hier ihr Wohnzimmer. An der Lukullus-Bar sitzen Geschäftsleute beim Lunch und Damen der Gesellschaft, die sich beim Glas Champagner vom Einkauf erholen. Am Nachmittag wird´s hektisch und ziemlich eng, wenn Touristen aus der ganzen Welt durch den Rundbogen am Eingang in den Laden strömen, um sich vor dem Putten-Brunnen mit den lebenden Krebsen zu fotografieren. Das ist der Erfolg der Fernsehwerbung: Immer mehr Neugierige wollen den Ort erleben, an dem junge Model-Münchnerinnen in blauen Blusen und weißen Schürzen zur Wohlfühlmusik kurz vor der „Tagesschau“ Prodomo-Kaffee abfüllen – so zärtlich streicheln sie die Nymphenburger Kaffee-Vasen mit den exotischen Vögeln, als sei dies die Erfüllung ihres Lebens.

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